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Valby — Das Geheimnis im Moor

■ Kinderfilm des Monats April

Eigentlich wollte Sven nur seinen Vater anfunken, der auf einem riesigen Schiff über die Meere fuhr, Tausende Seemeilen weit weg. Sven war in seinen kugeligen, silbernen Wohnwagen gestiegen, in dem die Funkanlage installiert ist und Hunderte von Kabeln sich miteinander verbinden, Antennen zum Fenster rauskriechen. Seine Schwester Hanna hatte er mit Taschengeld bestochen, damit sie im Haus bliebe. Die Mutter lag im Krankenhaus und würde erst in ein paar Tagen entlassen werden.

Sven liebt die Funkstille in seiner kleinen Radarstation. Hier kann er abgeschieden mit der weiten Welt in Verbindung treten. Australien ist dann plötzlich so nahe wie die Wiesen draußen vor der Tür, Amerika wird zum Nachbarstaat, so deutlich kann er sich mit den Kaugummi kauenden Funkern unterhalten.

Weil die Funksignale irgendwann immer leiser wurden und nur noch Rauschen in die Hörmuschel drang, hatte er sich heimlich mit einem langen Kabel an die Satellitenschüssel der Nachbarn angeklemmt. Doch als er versuchte, die Frequenz des Vaters einzustellen, waren da plötzlich diese Stimmen über den Kopfhörer gekommen. Unheimliche Geräusche. Lateinische Laute, die durch den Raum hallten. Er hatte seinem Freund Bo davon erzählt. Als Sven die Geräte einschaltete und die ganze Prozedur wiederholte, Bo sich den anderen Kopfhörer aufsetzte, da war es beiden so vorgekommen, als würde ein Erdbeben Dänemark erschüttern. Der Wagen rumpelte, die Erde dröhnte und der Himmel wurde ganz grell. Dann umgab sie gruselige Stille.

Merkwürdig an der ganzen Sache war: Als Sven und Bo nach Hause kamen, war alles wie verhext. Svens Mutter war nicht im Hospital, sondern hatte ihn wie einen Kranken angesehen. Das Nachbarhaus, in dem Petra wohnte, die ihn bei der Montage des Kabels auf dem Dach beobachtete, aber nicht verraten hatte, war leer. Es war, als wäre die Zeit durcheinandergeraten oder ihre Köpfe verdreht; beide Jungen verstanden die Welt nicht mehr.

Und dann beginnt eine Abenteuerreise, die den Alltag durcheinanderwirbelt und jede Menge Ärger mit sich bringt. Sven kam auf die geniale Idee, sich an den riesigen Parabolspiegel anzuklemmen, der zur Forschungsstation drüben auf dem Berg gehörte. Wenn sich schon — wie auch immer — der Zeittakt umstellen ließ, die Gegenwart zur Vergangenheit wird, dann müßte man doch auch mit der riesigen Antenne gleich ein paar Jahrhunderte zurückreisen können!

Gesagt, getan. Sven, Petra und Bo steigen in die Funkstation, Strom an, Kabel gesteckt, Antennen gerichtet, Power volle Kraft, die Frequenz im Radio eingestellt. Brausen, Toben, Dröhnen, der Wohnwagen wackelt bedrohlich, dann wird es still...

Hier will ich aufhören, den Film weiter zu erzählen. Die Spannung steigert sich ins Unermeßliche: Da, wo grüne Wiesen waren, ist jetzt Moor, finstere Reiter preschen heran, Petra verschwindet, der Strom für die Funkanlage fehlt, um wieder ins Jahr 1991 zurück zu können...

Dieser dänische Film enthält alle Elemente, die ein Abenteuerfilm haben sollte: Spannung, Action, gute Schauspieler (zumeist Kinderdarsteller), verfahrene Situationen und jede Menge Spaß.

Regisseur Ake Sandgren wollte einen Film drehen, der den Kindern das Gefühl von Abenteuer und Gefährlichkeit vermittelt, und der zum Ausdruck bringt, was die Erwachsenen meinen mit »für Kinder verboten«. Der Film sollte nicht naiv und verharmlosend sein, sondern Spannung und Gefahr sollten so richtig reinkrachen in den Zuschauerraum. Nur so könnten die »kleinen Erwachsenen« lernen, was es heißt: »Das ist verboten. Das ist erlaubt.« Jedoch, so Sandgren, soll der erhobene Zeigefinger vermieden werden. Und was er versprach, hielt er auch: Die Abenteuersaga vermeidet Blutvergießen und dämonische Bösewichte, Monster und Gewalt. Das Gewicht wurde vielmehr auf die scheinbare Ausweglosigkeit von Situationen gelegt, aus denen sich die Kinder mit eigener Kraft befreien; nie wird eine Szene brutal oder unglaubwürdig dargestellt. Die ganze Zeit hält sich eine kribbelige Aufregung; dazu kommt die eingängige Musik der Rockgruppe Roxette. Bis zur letzten Minute ist der Ausgang ungewiß.

Und wenn im Kino dann wieder das Licht angeht, dann steht man auf und schüttelt sich. Diese Reise war anstrengend, aber es hat sich gelohnt. Benjamin B.

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