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„Das macht noch keinen Bürgermeister“

■ Was Fotografen und Werbeleute über die Schönheit im Allgemeinen und die Gesichter der Bürgermeisterkandidaten im Besonderen wissen

Nölle oder Wedemeier, die Frage, die die WählerInnen im September zu entscheiden haben werden, fällt durch die äußere Ähnlichkeit der Kandidaten leichter. „Die Wähler haben gleichwertige Gesichtsalternativen“, kommentiert der Bremer Werbefachmann Ingo Löbert von der Agentur Brasil-Haus. Während Wedemeister auf den Bürgermeier- Bonus setzen kann, muß Neuling Nölle allerdings erst noch sein „wahres Gesicht“ zeigen.

Ein Gesicht ist für die Vermarktungs-Fachleute eine „Vision nach außen“ (Löbert), die man nur begrenzt manipulieren kann. Bilder sind schneller als Argumente, aber wer ein „zu glattes Gesicht hat, der wird nicht wahrgenommen. Pech für den CDU-Mann: Nach Ansicht des Werbefachmannes strahlt das Bürgermeisterface mehr Kompetenz aus.

„Jedes Gesicht ist ein Spiegel der Person“ ist die Erfahrung des Bremer Fotografen Bäumler. Aus dem Gesicht schließt er, daß Nölle ein glatter Geschäftsmann ist, dessen Gesichtsausdruck die politsiche Gangart des Kandidaten spiegele. Wedemeiers Gesicht sei proportionierter, weicher geschnitten und strahle mehr Persönlichkeit aus. Seine Haare ließen mehr Kontur erkennen als die Frisur Nölles, das Gesicht des Bürgermeisters sei zudem „einfacher“ als das des Christdemokraten.

Bessere Karten hat Wedemeier auch bei dem Bremer Fotografen Franz. Der Bürgermeister habe nicht so viele Ecken wie sein Konkurrent, zudem werde es Herr Nölle schwer haben, gegen die Brillensammlung Wedemeiers zu konkurrieren. Wedemeiers plus: Der habe gelernt, dynamisch zu gucken, während Nölles Blick eher zu seinem bisherigen Job passe: Der coole Banker-Blick.

Wedemeiers Gesicht sei zwar ein typisches Siegergesicht, das müsse aber bei der Wahl keinen Ausschlag geben. Schließlich hätten die Bremer 1983 auch Koschnik gewählt, obwohl der damals ein „Verlierergesicht“ gehabt habe. Wahlmotiv: Mitleid.

Das Kandidatengesicht sei vor allem in der Wählerinnengruppe über 50 relevant, „weil diese Frauen immer noch Ausschau halten nach einem passablen Schwiegersohn“, meint der Fotograf. Sonst hält er den Wahleinfluß von Gesichtern eher für zweitrangig, und wird dabei von seinen Kollegen einstimmig unterstützt: „Ein Gesicht macht noch keinen Bürgermeister“, erklärt Werbemann Löbert. osi Roland

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