: (K)eine Zukunft für Ureinwohner
■ VertreterInnen der Ureinwohner Kanadas und Brasiliens am 2. Mai in Bremen
Die Menschenrechtsorganisation amnesty international, die Gesellschaft für bedrohte Völker, die Kampagne für das Leben in Amazonien und viele andere Gruppen bereiten für 1991 eine Kampagne vor, um auf die bedrohte Lage vieler Völker von Ureinwohnern auf der ganzen Welt aufmerksam zu machen.
Damit Betroffene selbst zu Wort kommen können, wurden Delegationen aus vier verschiedenen Ländern (Philippinen, West-Papua, Kanada, Brasilien) eingeladen, und sie werden vom 24. April bis 20. Mai 1991 die BRD bereisen, um auf die Situation in ihrem jeweiligen Lebensraum aufmerksam zu machen.
In Bremen wird von amnesty international, der Gesellschaft für bedrohte Völker, der Brasiliengruppe Bremen und dem Übersee-Museum mit den Vertretern der Innu aus Kanada und der Amazonas-Indianer aus Brasilien am 2. Mai 1991 eine Informationsveranstaltung durchgeführt.
Tiefflüge der Bundeswehr sollen verstärkt ins kanadische Labrador verlegt werden, das angeblich menschenleer ist. Doch dort lebt das Jägervolk der Innu. Es wehrt sich gegen die Bedrohung seiner Lebensgrundlage, der Karibu-Herden — unter anderem mit Besetzungen des Flugplatzes in Goose Bay.
Militärische Übungs-und Tiefflüge gefährden die Zivilbevölkerung in hohem Maße. Protesten von Tieffluggegnern hält die NATO die Verlagerung der Flüge in sogenannte menschenleere Gebiete entgegen. Eines dieser Gebiete ist Labrador in Kanada: Der Luftwaffenstützpunkt in Goose Bay soll ausgebaut werden. Sollte der Plan verwirklicht werden, würde sich die Zahl der Tiefstflüge (Flughöhe: 30 Meter) in diesem Gebiet annähernd versechsfachen.
Doch um Goose Bay herum ist es nicht menschenleer: Dort leben die Innu, eines der letzten Jägervölker. Sie ernähren sich vom Fleisch der Karibu, einer Rotwildart. Die Tiefflüge gefährden den Bestand der Herden — für die Innu geht es ums Überleben.
Darum leisten sie gewaltlosen Widerstand, besetzen Rollbahnen und Bombenabwurfplätze. Sie versuchen aber auch, mit Petitionen und rechtlichen Mitteln Gehör zu finden. Sie wollen die Landrechtsfrage mit der kanadischen Regierung geklärt wissen.
Die Situation der verschiedenen Stammesvölker im brasilianischen Amazonasraum wird stark durch die forcierte Erschließung der Gebiete durch Industrieunternehmen geprägt.
Indianer sterben an eingeschleppten Krankheiten, gegen die sie keine Abwehrkräfte besitzen. Goldgräber, Holzfirmen und Minenkonzerne dringen in die angestammten Gebiete der UreinwohnerInnen ein und entziehen ihnen systematisch die notwendige Lebensgrundlage.
Obwohl die brasilianische Regierung immer wieder betont, daß ihr der Schutz der UreinwohnerInnen wichtig ist, tut sie nichts, um diesem Anspruch auch gerecht zu werden. Ganz im Gegenteil, in den Jahren der Militärdiktatur (1964 — 1984) wurde bewußt eine Politik der Ausrottung ganzer indigener Gemeinschaften verfolgt. Und auch heute schaut die „demokratisch gewählte“ Regierung von Präsident Collor tatenlos zu, wenn Indianer vertrieben, gefoltert und ermordet werden.
Die beiden Indianer, welche am 2. Mai in Bremen berichten werden, können dies aus der Erfahrung ihrer Stämme bestätigen. Clovif Ambrosio ist Macuxi-Indianer aus dem nördlichen Amazonasgebiet an der Grenze zu Venezuela. Mittlerweile bleibt den Indianern durch die Umzingelung durch Viehfarmen kaum noch Land zum Pflanzenanbau für den Eigenbedarf.
Seit einiger Zeit versuchen die Macuxi-Indianer mit friedlichen Mitteln auf das an ihnen begangene Unrecht aufmerksam zu machen und fordern von der brasilianischen Regierung ihre angestammten Gebiete zurück. Die gewaltlosen Aktionen der Indianern wurden bisher mit Verhaftungen und Mißhandlungen einzelner Stammesmitglieder beantwortet. Am 23. Oktober 1988 starb ein junger Macuxi in der Zelle einer Polizeistation nach schweren Mißhandlungen durch die Polizei. Der Fall wurde nie aufgeklärt.
Alirio Mendes Moraes, der zweite Gast aus Amazonien gehört dem Volk der Ticuna an, das am oberen Lauf des Rio Solimoes (Amazonas) lebt. Der Leidensweg dieses Stammes wird ebenfalls durch Auseinandersetzungen um angestammte Gebiete geprägt. Im Gegensatz zu den Macuxi wurde jedoch ein Teil des Gebietes der Ticuna schon demarkiert, d. h. offiziell als Stammesgebiet anerkannt. Allerdings achten die Siedler diese Demarkierung nicht. Im März 1988, als die Ticuna in friedlicher Absicht auf den illegalen Aufenthalt von Siedlern auf ihrem Territorium aufmerksam machen wollten, kam es zu einer Schießerei, in deren Verlauf 14 Ticuna getötet und 21 verletzt wurden. Als Drahtzieher des Massakers wird ein Großgrundbesitzer vermutet, der Anspruch auf Ländereien im Ticunagebiet erhebt. Eine Anklage wurde nie erhoben.
Dies sind nur zwei Beispiele von Repressionen gegenüber UreinwohnerInnen des Amazonasraumes. Das Anliegen der Kampagne für indigene Völker ist es, über die Situation von UreinwohnerInnen zu berichten. Dies für den Fall Brasilien auch im Hinblick darauf, daß die Indianer auf den Regenwald als Lebensgrundlage angewiesen sind. Die Indianer sind in der Lage, ihn zu nutzen, ohne ihn zu zerstören. Einen Schutz des Regenwaldes wird es ohne Indianer nicht geben. Daher ist es wichtig, daß wir diese — wie auch die kanadischen Innu — im Kampf um ihre Rechte unterstützen. Denn wer ihr Land nimmt, zerstört ihr Leben!
Info: Brasilien-Gruppe Bremen, Ulla Reuter, Tel. 395445/amnesty international, Villa Ichon, Am Goetheplatz
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