: Europa-Universität
■ Imagepolitur für Frankfurt an der Oder
Potsdam (taz) — Die Stadtmütter von Frankfurt an der Oder wollen das Image der ehemaligen Bezirksstadt durch seine Universität aufpolieren und berufen sich dabei — vielleicht belächelt — auf die vor 200 Jahren aus Mangel an Interesse entschlafene viadrina. Kein geringerer als Brandenburgs Wissenschaftsminister Hinrich Enderlein legt sich ins Zeug, um die Frankfurter von ihrem Minderwertigkeitskomplex, als ostdeutsche Provinz im Regen der deutschen Einigung zu stehen, zu befreien. Bis Herbst 1991 soll das Konzept einer Europa-Universität mit Standort Frankfurt auf dem Tisch liegen. Studenten aus ganz Europa sollen hier — frühestens ab Sommer 1992 — vor allem in Sprach- und Wirtschaftswissenschaften, Jura, Friedens- und Konfliktforschung ein intensives Studium erleben. Gedacht ist auch daran, umweltpolitische Themen aufzugreifen und das Eberswalder Institut für Land- und Forstwirtschaft teilweise in die neue Uni zu integrieren. Polen, das mittelfristig eine Aufnahme in die EG anstrebt, zeigt starkes Interesse an dem Projekt. Polnische Studenten könnten sich mit einem an diesem Institut erworbenen Abschluß erstmals um eine Berufsaufnahme in den Ländern der europäischen Gemeinschaft bewerben. Die Hochschulen in Poznan, Wroclaw und Warschau erhoffen sich regen Wissenschaftleraustausch. Polnische Wissenschaftler werden im Gründungsausschuß und Kuratorium mitmischen. Generell für Brandenburg hat die französische Regierung Unterstützung für den Aufbau von Hochschulen zugesagt — also zum Beispiel Stiftungsprofessoren. Minister Enderlein will sein augenscheinliches Lieblingskind nicht über die finanziellen Hürden stolpern lassen. Für die Planung sind 2 Millionen Mark im unbestätigten Landeshaushalt reserviert, 50 Prozent der Baumaßnahmen werden vom Bund getragen. Zwei Milliarden Mark wird der Bund in den nächsten zwei Jahren für die Hochschulen in den FNL überschreiben.
Auch private Mittel will der Minister höchstpersönlich „einwerben“ und auch bei der EG in Brüssel ist er schon vorstellig geworden. Enderlein will außerdem keine „Berliner Zustände“, was das Zahlenverhältnis von Lehrenden und Lernenden und „überlange“ Studienzeiten anbelangt. ig
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