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Der Hengst hat mehr PS

■ Der Russell-Aufreißer »The Outlaw« im Regenbogen-Kino

Howard Hughes — sein Name ist Legende: Multimillionär, Flugzeugbastler, Starletverschleißer, verhinderter Erfinder des nahtlosen Büstenhalters, einer der zehn begehrtesten Junggesellen aller Zeiten und antikommunistischer Superpatriot im Hollywood der schwarzen Listen.

Auch die von ihm produzierten Filme sind Lärm und Legende. Am Anfang stand Hell's Angels (Engel der Hölle), ein Stummfilmepos über Kampfflieger im Ersten Weltkrieg. Hughes kaufte sich 25 Flugzeuge, stellte sich eine Privatarmee zu sammen und legte los. Bei den Luftschlachten ließen drei Stuntmänner ihr Leben für das Zelluloid. Als die Dreharbeiten nach zwei Jahren beendet waren, hatte das Zeitalter des Tonfilms längst begonnen. Hell's Angels war leider ein Stummfilm. Howard Hughes (Regisseur und Produzent) mußte noch einmal von vorne beginnen.

Noch länger dauerte die Herstellung von Jet Pilot (Düsenjäger), in dem John Wayne als US-Colonel der Luftwaffe eine zweihundertprozentige kommunistische SU-Düsenpilotin für die Idee der unbegrenzten Einkaufsmöglichkeiten begeistern kann. Josef von Sternberg drehte den Im Westen ist's am besten-Film 1950 ab, Produzent Hughes schnippelte ihn sieben Jahre lang zurecht. Erst 1957 kam Jet Pilot in die Kinos. Das Engagement für ein kommiefreies Hollywood ließ Hughes schon 1949 einen der dämlichsten Propagandaschinken der McCarthy-Ära produzieren: I married a communist.

Den größten Lärm veranstaltete Hughes allerdings um den Jane-Russell-Debütfilm The Outlaw (Geächtet). Ende der Dreißiger kam es ihm in den Sinn, den Billy-the-Kid-Mythos samt Doc Holliday und Pat Garrett neu aufzupolieren und in die Kinos zu bringen. Beim Sichten der Bewerbungsfotos für die einzige größere weibliche Rolle stieß Hughes auf Jane Russell, die er nach den Probeaufnahmen für 150 Dollar die Woche engagierte. Billy-the-Kid-Darsteller Jack Buetel bekam 75 Dollar — eine konsequente Lohnpolitik, denn Jane Russells Körper sollte die (männlichen) Massen ins Kino locken.

Im Dezember 1940 begann Howard Hawks mit den Dreharbeiten. Schon nach zwei Wochen endete die Zusammenarbeit von Regisseur und Produzent. Wenn man Otto Friedrichs Buch Markt der schönen Lügen glauben darf, lag es an den fehlenden Wolken. Als Hughes Hawks' erste Aufnahme begutachtete, sah er sich mit einem makellos blauen Himmel konfrontiert. Zu seinem Presseagenten sagte Hughes daraufhin: »Keine Wolken. Wozu gehen wir denn weit raus nach Arizona mit unserem Film, wenn wir nicht ein paar schöne Wolkeneffekte kriegen? Der ganze Sinn von Außenaufnahmen liegt in der Szenerie, die man in einem Hollywood-Studio nicht machen kann. Die verdammte Leinwand sieht nackt aus. Nackt!«

Also verlangte Hughes und dem 250-köpfigen Team so lange Drehpause zu machen, bis Wolken am Himmel Arizonas auftauchten. Hawks wollte aber nicht warten und begann, einen anderen Film zu drehen, so daß Hughes selbst die Regie übernehmen mußte. 14 Monate später war der Film im Kasten — allein die Grabrede Pat Garretts an Doc Hollidays Grab wurde 102-mal aufgenommen. Es dauerte weitere zwei Jahre, bis der Film 1943 in Los Angeles uraufgeführt wurde. In der Zwischenzeit war Hughes Werbemaschine damit beschäftigt, das Publikum aufzugeilen. Jane Russell hatte mittlerweile als Pin-up-Girl die Herzen und andere Organe der GIs im Sturm erobert. Die Marketing-Schlacht auf heimischem Boden gewann man mit offensiven Werbesprüchen: »What are two great reasons for Jane Russell's rise to stardom?«

Um die unübersehbaren zwei großen Gründe noch besser zum Einsatz zu bringen, wurde Hughes Presseagent bei Sittenvereinen aller Art (Kirche, Frauen, Eltern, Lehrer) vorstellig und bemühte sich um deren moralischen Aufschrei. Das Ganze funktionierte prächtig. Die Polizei nahm Verhaftungen vor, Prozesse rollten an, die einen jammerten über Zensur, die anderen über die »Verächtlichmachung der Frauen«, der Film wurde planmäßig zum großen Publikumsrenner. Auf dem Höhepunkt des Trubels zog Hughes den Film in der siebten Woche zurück — ein klassischer Fall von coitus interruptus. Hughes nahm sich drei Jahre Zeit, um The Outlaw um acht Minuten zu kürzen. Währenddessen stieg der Ruhm Jane Russells ebenso ins Unermeßliche wie die Publikumsbegierde. 1946 folgte die landesweite Ejakulation (1943 war The Outlaw) nur in Los Angeles zu sehen gewesen.) Erst jetzt, nachdem Hughes Strategie der geschürten Geilheit voll aufgegangen war und Jane Russell nach jahrelangem Warten ihr Leinwandebüt hinter sich hatte, durfte sie ihren Körper in anderen Filmen zeigen.

Der größte Witz bei der Geschichte ist allerdings, daß Russells ein- und ausladende Reize dazu dienten, ein schwules Beziehungsdrama an den Mann zu bringen. Denn in The Outlaw geht es um das Ende der Beziehung von Altgangster Doc Holliday und Altsheriff Pat Garrett. Eines Tages bricht der Outlaw Billy the Kid mit dem runden Babygesicht und der schnellen Hand in die traute Altmännerwelt und stellt Doc Holliday vor die Wahl. Doc Holliday entscheidet sich gegen Pat und für einen gemeinsamen Ritt mit Billy. Das Zusammenwachsen des jungen Paares wird von Rio (Jane Russell), der Freundin Doc Hollidays, auf die Probe gestellt. So ist wieder eine Entscheidung fällig: ein Weib (Rio) und ein Hengst (Red) stehen zur Auswahl. Klar, daß sowohl Billy als auch Doc den Hengst haben möchten. Mit einem zweiten Pferd machen sich die beiden Männer davon und lassen die verschmähte Jane Russell zurück. Weil sie Sperenzchen macht, fesselt Billy ihre Hände vorsorglich an zwei auseinanderstehenden Bäumen. Die sado-jesusmäßige Fesselung bringt ihre Brüste gut zur Geltung.

Spätestens hier hat Jane Russell jede halbwegs einleuchtende dramaturgische Funktion verloren. Im folgenden zeigt sie nur noch, wie sie in nassen Kleidern aussieht, wie sie noch tiefere Dekolletés trägt und wie sich ihr Oberkörper beim wilden Galopp rauf und runter bewegt. Das Eifersuchtsdrama des Männertrios (Pat verfolgt das gesetzesbrecherische Pärchen) endet schließlich mit dem Tod Doc Hollidays. Die vorangegangenen Streitereien um Männer und Hengste setzen die überlebenden Pat und Billy fort. Objekt des Verlangens: Doc Hollidays Pistole und der dazugehörige griffige Gürtel. Sieger nach Besitzerpunkten in der Schlußrunde ist eindeutig Billy the Kid. Er hat alles bekommen, was er wollte: Doc Holliday, den Hengst Red, die Pistole und den Gürtel. Diese Reihenfolge ist gleichzeitig Rangfolge seiner Begierde. Damit Jane Russell vor dem Abspann nicht allzu dumm und vollkommen überflüssig in der Gegend rumsteht, nimmt Billy sie beim Davonreiten noch mit auf das Pferd. Was den künstlerischen Gesamteindruck angeht, urteilte 'Time‘ schon Anfang der Vierziger ganz korrekt. The Outlaw sei »einer der aussichtsreichsten Kandidaten für den Flop aller Zeiten«. Volker Gunske

The Outlaw ( Geächtet ) — USA 1940/41. Regie und Produzent: Howard Hughes mit Jane Russell, Jack Buetel, Walter Huston, Thomas Mitchell. Ab heute bis Sonntag um 23 Uhr im Regenbogen-Kino.

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