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Nichts Neues von Luise

■ Eine Führung vom Kultur Büro Berlin

Aschgrauer Staub klebt in den Falten der Gewänder, bedeckt wie Patina den porösen Gips; die wohlgeformte Schönheit der Nase hat unter der Zeit gelitten, sie ist entstellt. Im Halbdunkel eines Treppenaufgangs drückt sich von Garderobenschränken umgeben der Abguß einer von Berlinern heißgeliebten Statue: Die Prinzessinnengruppe von Schadow.

Wie versteckt steht sie da. Ganz so, wie es Friedrich Wilhelm III. seinerzeit wünschte. Die zwei jugendlich-pausbäckigen Geschwister wirkten ihm zu erotisch, sie blieben der Öffentlichkeit verborgen. Und schließlich war eine der Frauengestalten das Abbild seiner Gemahlin, Luise von Mecklenburg-Strelitz, Königin von Preußen.

In den Annalen der Stadt Berlin ist Luise auf ewig als eine schöne, liebreizende, charmante und legendär-berühmte NationalHeldin festgeschrieben, ganze Bücherregale verehren ihre Persönlichkeit und ihren Namen. »Ach, Lusie« — unter diesem Seufzer macht sich das Kultur-Büro Berlin mit einem Rundgang durch Schloß und Park Charlottenburg auf den Lebensweg dieser »außergewöhnlichen Frau«. In anderthalb Stunden wird das kurze, aber bewegte Leben der Luise vorgestellt, die Figurengruppe ist da nur die erste Etappe.

Der Ruf, eine »ungewöhnliche Frau« zu sein, ereilte Luise schon zu Lebzeiten, ihre Popularität kannte keine Grenzen. Was sie an Kleidung trug, war en vogue, eine Halsbinde, die Doppelkinn und Kropf kaschierte, wurde zum Modehit. Die Bürger Berlins schmolzen dahin, sie und ihr Gatte waren ein Traumpaar, der Inbegriff von Treue und Harmonie, zehn Kinder aus der Ehe der augenscheinliche Beweis. Für die Hofetikette der Hohenzollern war sie dagegen eher ein Schloßgespenst, das mit seinem gradlinigen Temperament barocke Prinzipien hinwegfegte.

Mitten ins stolze Männerherz traf Luise die preußischen Staatsmanager, als sie aufs politische Parkett trat und die feste Entschlossenheit zeigte, die ihrem introvertierten Mann fehlte. Sie wollte Krieg, Krieg gegen den Eroberungsdrang Napoleons. Der feixte sich einen und empfahl ihr die Erfüllung mütterlicher Pflichten. Als letzte Hoffnungsträgerin Preußens versuchte sie zu retten, was zu retten war: Ihre diplomatischen Anstrengungen wurden trotzdem zum Fiasko.

Kurz darauf, im Jahre 1810, starb sie mit 34 Jahren. »Mit gebrochenem Herzen«, wie die Berliner sagten, wegen Lungenentzündung, wie die Obduktion ergab. Luise wurde zur Kultfigur, ihr Mausoleum zum Mekka der Luisenpilger. Ihr Sakrophag und sein Schöpfer, ein Diener von Luise namens Rauch, erlangten Berühmtheit. Schinkel baute ihr zu Ehren eine Kirche, Lenné buddelte ihr zu Ehren eine Insel in den Park. Alle liebten sie. Ein Mythos, an dem keiner kratzen mag, auch die Führung nicht.

Das kurze Leben von Luise bot Raum für Anekdoten und Zurechtgereimtes, der Rundgang bietet diese nicht. Imaginäre Wirklichkeit ihrer Persönlichkeit wird nicht nachgesponnen. Man hält sich an das, was Hand und Fuß hat, zum Beispiel an Schadows Statuen. Text und Foto: Christian Bahr

Samstag ab 13, Sonntag ab 13 und 15 Uhr. Treff am Schloß Charlottenburg, am Reiterdenkmal

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