: BGH will erneute Änderung des Mietrechts
BGH ruft den „Gemeinsamen Senat“ an/ Mieterfreundliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen soll geändert werden/ Streitpunkt: die sogenannte Abgeschlossenheitserklärung ■ Aus Hamburg Kai Fabig
Hamburg (taz) — Im Sommer 1989 konnten die MieterInnen von Altbauwohnungen aufatmen. Mit einer für die meisten Miet- und Baurechtsexperten überraschenden Entscheidung stoppte das Bundesverwaltungsgericht die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen im Altbaubestand. Doch die Ruhe vor Umwandlungsspekulanten wird voraussichtlich nur noch bis zum Herbst währen. Denn der 5. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) in Karlsruhe hat jetzt den „Gemeinsamen Senat“, der sich aus VertreterInnen aller höchsten Gerichtshöfe des Bundes zusammensetzt, angerufen, um die mieterfreundliche Entscheidung des BundesverwaltungsrichterInnen zu kippen.
Dieser Vorstoß hat eine juristische und eine politische Komponente. Auf der rechtlichen Ebene ist es relativ eindeutig, daß die Entscheidung, mit der den Umwandlungen Einhalt geboten wurde, eine juristische Krücke ist. Denn das BVG machte auf recht ungewöhnliche Weise aus dem Baurecht ein wohnungspolitisches Instrument. Das funktionierte wie folgt: Voraussetzung für die Umwandlung von einer Miet- in eine Eigentumswohnung ist nach dem Wohnungseigentumsgesetz eine sog. Abgeschlossenheitserklärung. Diese Abgeschlossenheitserklärung dürfe nur erteilt werden, wenn die Decken und Wände in der zukünftigen Eigentumswohnung den neuesten Schall-, Wärme- und Brandschutzbestimmungen entsprächen, entschieden die BundesverwaltungsrichterInnen. Und da Altbauwohnungen diesen Anforderungen nicht genügen, waren die Umwandlungen in diesem Segment des Wohnungsmarktes praktisch gestoppt. Vor allem in den von der Wohnungsnot besonders hart betroffenen Ballungsgebieten stürzten sich die WohnungspolitikerInnen erfreut auf dieses Urteil. Denn in Hamburg z.B. waren allein zwischen 1978 und 1988 mehr als 35.000 Altbauwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Doch die Atempause für die AltbaumieterInnen wird nun bald zu Ende gehen. Denn kaum ein Fachmann zweifelt daran, daß sich der BGH vor dem „Gemeinsamen Senat“ durchsetzen wird. Die vom Wohnungseigentumsgesetz vorgeschriebene Abgeschlossenheit der Wohnung definiere sich nicht durch Schall-, Wärme- oder Brandschutz, sondern nur dadurch, „daß feste Bauteile die Raumeinheit dauerhaft abgrenzen und gegen unbefugten Zutritt Dritter tatsächlich abschirmen“, argumentiert der BGH. Und diese Argumentation wird auch dem „Gemeinsamen Senat“ einleuchten. Denn warum sollte der Bewohner einer Eigentumswohnung ein verbrieftes Recht auf mehr Schallschutz haben als der Bewohner einer Mietwohnung?
Doch dem BGH geht es keineswegs nur darum, daß das bestehende Recht ein faktisches Umwandlungsverbot im Altbaubestand nicht hergibt. Er argumentiert auch politisch. Das Fortbestehen der nun knapp zwei Jahre alten Rechtsprechung hätte einen negativen Einfluß „auf die Erschließung von Privatkapital für die Sanierung des Baubestandes in den neuen Bundesländern“, befürchtet der BGH in seinem Vorlagebeschluß für den „Gemeinsamen Senat“. Die Privatisierung der volkseigenen Wohnungsbestände in der Ex- DDR könnte gehemmt werden, während Bonn eine Erleichterung der Umwandlungen in den neuen Bundesländern beabsichtige.
Doch warum sollen darunter die MieterInnen in den Altbundesländern leiden, fragen die Mietervereine. Wenn es darum gehe, daß es den „Ossis“ ermöglicht werden soll, ihre bisher volkseigene Wohnung zu kaufen, dann ließe sich dafür problemlos eine Übergangsregelung finden, so Jürgen Twisselmann, Anwalt bei „Mieter helfen Mietern“ in Hamburg. Schließlich wimmelt es im Einigungsvertrag von Übergangsregelungen. Ansonsten seien die neuen BundesbürgerInnen genauso auf den Schutz vor Umwandlung angewiesen wie die alten. Denn daß Umwandlungen — vor allem im Altbaubestand — zur Vertreibung der MieterInnen führt und dadurch ganze Viertel umstrukturiert worden sind, wies schon 1980 eine Studie der „Infratest-Wirtschaftsforschung“ nach. Und vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Wohnungsnot werde die erneute Freigabe der Umwandlung katastrophale Folgen haben, warnt Twisselmann. Für Hamburg rechnet der Wohnungsexperte mit 8.000 bis 10.000 Umwandlungen pro Jahr. Denn obwohl die Mieten stark steigen, seien den Gewinnmöglichkeiten hier gesetzliche Grenzen gesetzt, während die Profite bei den Umwandlungen nur vom Markt abhängen. Twisselmann fordert daher ein gesetzliches Verbot der Umwandlung und die Streichung sämtlicher Steuervergünstigungen für die Anschaffung umgewandelter Wohnungen. Denn noch immer ist es so, daß der Kauf einer Eigentumswohnung mit Steuervorteilen belohnt wird, obwohl durch den Wohnungskauf kein neuer Wohnraum geschaffen wird. damit keine einzige neue Wohnung entsteht. Würde zumindest dieser wohnungspolitische Unsinn beendet, könnten die Mieter auch schon etwas beruhigter in ihren Altbauwohnungen schlafen.
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