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Bushs gewundener Nachkriegspfad

Der US-Präsident hinkt der öffentlichen Meinung in den USA hinterher/ Gestern noch lehnten die USA Schutzzonen für die Kurden ab, jetzt wird der Vorschlag praktiziert  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Zuerst störten die Fernsehbilder der vor Saddam Hussein fliehenden Kurden nur die patriotischen Heimkehrparties für die amerikanischen Soldaten. Jetzt, wo die versammelte Weltpresse zuguckt, wie das Kurdenvolk stirbt, stört es sogar die Nachkriegspolitik der Bush-Administration — falls es eine solche denn je gegeben haben sollte.

Mit über einwöchiger Verspätung hat George Bush nun dem Drängen jener Zeitungskolumnisten und Fernsehkommentatoren nachgegeben, deren Interventionswünsche er gestern noch abgelehnt hatte: die USA schicken nun wieder Militäreinheiten in den Irak, doch diesmal mit humanitärem Auftrag in den Norden, um für die Kurden in einer Sicherheitszone angeblich vorübergehende Camps einzurichten.

Die Entscheidung markiert jedoch nicht etwa eine grundsätzliche Veränderung der US-Politik gegenüber den Kurden, sondern nur einen opportunistischen Kurswechsel der Bush-Administration auf ihrem Nachkriegspfad ins Unbekannte. „Operation Comfort“ soll nicht nur dem Wohl der Kurden, sondern mehr noch dem politischen Wohlbefinden der US-Administration dienen.

Die Umkehrung des Prinzips der politischen Führung in das der situationsbedingten Folgsamkeit läßt sich an den vergangenen Äußerungen von George Bush ablesen. Gestern noch lehnten die USA den Vorschlag der EG zur Einrichtung einer Enklave für die Kurden im Nordirak ab, heute wird diese Idee praktiziert. Gestern konnte George Bush kein Mandat für eine Intervention finden, heute hat er plötzlich in der Resolution 688 den Passus entdeckt, daß der Massenmord eine Bedrohung von Frieden und Sicherheit darstellt. Gestern noch wollte er keine US-Soldaten gefährden, heute befinden sich 10.000 GIs auf dem Weg zurück in den Irak.

Die Wankelmütigkeit der US-Politik gegenüber den Kurden — zuerst der Aufruf an die Opposition zum Widerstand gegen Saddam, dann ihr Fallenlassen und jetzt die verspätete und widerwillige humanitäre Hilfe — hat Tradition. Nicht um den Kurden, sondern dem damaligen Verbündeten, dem Shah von Persien, einen Gefallen zu tun, hatte Präsident Nixon 1972 eine Rebellion der Kurden angestachelt, um das politische Schicksal des Bergvolkes ohne Staat dann anschließend einem Deal zwischen dem Iran und dem Irak zu opfern. Damals, so scheint es, hat sich George Bush als CIA-Direktor offenbar die Kunstgriffe für seine heutige Politik angeeignet.

„Wenn Sie ein Kurde wären“, so fragte jetzt der Radio-Kommentator Daniel Shorr auf das Image Richard Nixons als unglaubwürdigem Gebrauchtwarenhändler anspielend, „würden Sie von George Bush ein gebrauchtes Versprechen kaufen?“

Dennoch findet die Entscheidung zur humanitären Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Irak den Beifall der amerikanischen Presse. Damit habe sich George Bush wieder „zur menschlichen Rasse zurückgemeldet“, kommentierte die sonst kritische Kolumnistin Mary McGrory. Mit seiner „90- Grad-Wendung“, so der diesjährige Pulitzer-Preis-Gewinner Jim Hoagland, habe sich Bush „eine zweite Chance zur Rettung irakischer Leben und der amerikanischen Ehre“ gegeben. Die 'Washington Post‘ vermutet unterdessen, daß es mit der humanitären Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Irak noch nicht genug sein wird. „Die UNO wird sich möglicherweise noch direkt in die Frage nach der Regierung für den Irak einmischen müssen.“

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