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Bonn apart: Schnecke auf Glatteis

■ Wenn Frauen im Bundestag unter sich sind: Achtung Harmonie!/ Gerade mal acht Männer im Plenarsaal

Immer wenn im Deutschen Bundestag das Thema „Frauenpolitik“ aufgerufen wird, dann leert sich das Plenum blitzschnell. So auch vergangene Woche, als es um den Bericht der Regierung über die „Gleichstellungsstellen“ und die „Frauenförderung“ ging: Nur knapp dreißig Weiblein und gerade mal acht Männlein (insgesamt sind es 662 Abgeordnete) lauschten der Rede von Frauenministerin Angela Merkel. Auch auf der Regierungsbank: gähnende Leere. Einzig Ministerin Merkels Redenschreiberin Hanna Beate Schöpp-Schilling hörte zu, als Angela Merkel den von ihr verfaßten Text — leicht stockend — verlas.

Die Ministerin lobte „die einzigartige Entwicklung der Institutionalisierung von Frauenpolitik“ der vergangenen Jahre — obwohl sie die als ehemalige DDRlerin gar nicht mitbekommen haben kann. Kurioserweise war der „Bericht der Bundesregierung über die Gleichstellungsstellen“, den Angela Merkel da vortrug, bereits vor zwei Jahren geschrieben worden. Immerhin räumte die Ministerin in ihrer Rede ein, durch die Wiedervereinigung seien zusätzliche Probleme für die Frauen entstanden.

Unter den wenigen im Plenum verbliebenen Abgeordneten kam schnell parteiübergreifende Einigkeit auf. Beifall und Gelächter als die Sozialdemokratin Marliese Dobberthien den Spruch brachte: „Die Emanzipation ist eine Schnecke auf dem Glatteis — machen wir dem Schneckle Beine.“ Einig waren sich die Frauen auch, daß der Bericht der Bundesregierung die Situation der Gleichstellungsstellen beschönigt. Die Arbeit der Frauenbeauftragten werde häufig von männlichen Verwaltungsangestellten blockiert, kritisierten CDU-, SPD- und FDP-Frauen unisono. Einzig Marliese Dobberthiens Vorwurf, die Bundesregierung messe der Frauenpolitik keine große Bedeutung bei, ging nach hinten los. Eine CDU-Abgeordnete rief ihr zu: „Die SPD ist auch nicht besser. Im Saarland hat Lafontaine das Frauenministerium abgeschafft.“ Marliese Dobberthien mußte ihr leider recht geben.

Petra Bläss von der PDS sagte, die Gleichstellungsstellen seien lediglich „Alibi-Institutionen“. Beifall der SPD-Frauen. Erst als Christina Schenk vom Bündnis 90 ihre gesalzene Rede hielt, wurden CDU- und SPD-Abgeordnete unruhig, die harmonische Stimmung zerbrach. Christina Schenk schilderte die Situation der Frauen in den neuen Bundesländern so: „Heute stehen wir vor den Trümmern unserer Hoffnungen und müssen in dem uns aufgedrückten Kapitalismus um Dinge kämpfen, die wir in der DDR längst hatten.“ Das war den Damen dann wohl doch einen Tick zu herbe. Tina Stadlmayer

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