: „Besonderes Verhältnis zur Demokratie“
betr.: „Kein leichtes Spiel für den US-Außenminister“, Bakers Reise-Aktivismus im Nahen Osten“, „Les Verts streiten über Israel-Politik“, „Leichen im Keller“ (Kommentar von Rolf Paasch),
taz vom 18.4.91
Wenn sich nunmehr zur Iran-Contra- Affäre auch noch die zeitlich ältere „Iran-Reagan/Bush-Affäre“ gesellen sollte, so ergäben sich daraus theoretisch zunächst zwei Konsequenzen, nämlich die nach dem Rücktritt von US-Präsident Bush oder (und) von Israel-Premier Schamir. Beide Optionen erscheinen nicht realistisch, obwohl beide Regierungen ja gern behaupten, sie hätten ein besonderes Verhältnis zur Demokratie.
Es fragt sich weiter, ob Israel wegen Erpressung einer anderen Regierung — Erpressung ist immerhin ein Straftatbestand des deutschen Strafrechts (unter anderem Paragraphen 253 ff. StGB) — oder wiederholter millionenschwerer Waffenschiebereien völkerrechtlich belangt werden könnte. Vielleicht aber ließe sich die israelische Regierung wegen dreier Tatbestände endlich zur Verantwortung ziehen, derentwegen der Rat der EG-Außenminister den irakischen Diktator vor ein internationales Gericht stellen will:
Führen eines Angriffskrieges (Libanonkrieg 1982), Kriegsverbrechen (Palästinensermorde in den Lagern von Sabra und Chatila 1982) sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit (unzählige Menschenrechtsverletzungen in den besetzten/annektierten Gebieten mit bis heute fast 800 toten Palästinensern (allein seit Dezember 1987), Administrativhaft (ohne richterliche Anordnung), Sprengung der Häuser von Palästinensern, Folterungen, Deportationen, Ausgangssperren, gezielte Schüsse auf Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder und so weiter).
Vor dem Hintergrund der „Iran- Reagan/Bush-Affäre“ erscheinen nunmehr ja auch alle Zurückweisungen von UNO-Resolutionen des Sicherheitsrates — seitens Israels — in einem neuen Licht.
Kein Wunder, daß inzwischen Freunde des jüdischen Volkes in aller Welt mehr und mehr verzweifeln und Israel zum Beispiel einen „rassistischen, theokratischen, militaristischen und expansionistischen Staat“ nennen, wie jüngst der französische Arzt Jean Brire, bisher Mitglied der Führung der Grünen in Frankreich, der deswegen von den „Verts“ ausgeschlossen wurde.
Seinen Satz: „Das Thema Israel und Palästina zerreißt die Bewegung“ mußten wir soeben ansatzweise auf zwei Landesmitgliederversammlungen der GAL (Hamburg) miterleben: Zwei israelkritische Anträge unsererseits wurden jeweils mehrheitlich mit „Nichtbefassung“ quittiert, ohne daß allerdings ausführlich diskutiert wurde. Wir sind insofern ein wenig auf die Bundesversammlung der Grünen in Neumünster gespannt und hoffen, daß sich die „neuen“ Grünen — auch im Zusammenhang mit dem „Ströbele- Interview“ — mehrheitlich zu einer kritisch-konstruktiven Israelpolitik durchringen.
Seit Jahren werden Israelkritiker in die „Antisemitismus“-Ecke gedrängt, auch wir. Dabei sind Handlungen israelischer Regierungen der letzten Jahre unseres Erachtens mit die stärksten Katalysatoren antijüdischer Stimmungen weltweit.
Seit Jahren machen wir die Israelische Botschaft in Bonn darauf aufmerksam, wie sehr Israels Politik unter anderem auch unsere eigene Arbeit (Stadtgänge, „Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg“, Gedenktafelinitiativen und so weiter) behindert. Ergebnis: Man nimmt „offiziell“ nichts mehr von uns entgegen. Seitdem leben wir mit der täglichen Furcht, daß unser Telefon vom Mossad (oder in seinem Auftrag) abgehört wird. Offizielle Anfragen an deutsche Stellen endeten bisher „negativ“. Nebenbei: Wir machen weiter, hoffentlich auch mit Hilfe Ihrer Hamburger LeserInnen. Deutsch-Jüdische Gesellschaft Hamburg e.V.
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