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»Rote Götter«, blanke Busen: Alles Super!

■ Gestern ging das Boulevardblatt 'Super!‘ auf den Markt/ Großverlage Murdoch und Burda investierten 170 Millionen

Mitte. Der Osten ist hart. Der Westen ist hart. Und mittendrin ist seit gestern alles für dreißig Pfennig vierfarbig Super! Dank Hubert (D), dank Rupert (GB).

Rotstrumpf Katharina Witt (»Honeckers verhätschelte Eisprinzessin«), läßt im Auftrag der beiden Großverleger ihre Maisonettenwohnung am Potsdamer Platz (190 qm) leerstehen und wohnt lieber im Bungalow am Müggelsee. Sie hat übrigens einen Audi geleast und den Wartburg verschenkt.

Tankbarde Gunter Gabriel, (»der goldene Westen lag ihm zu Füßen«) hat, weil schon lange ohne Hit, in seinem Wohnmobil viele unbezahlte Rechnungen und leere Bierdosen gesammelt und sie Hubert und Rupert in Kommission gegeben. Dafür muß er die Geschichte erzählen von der Prostituierten, die ihn vom Alkohol abbrachte, sein Wohnmobil aufräumte, alle Rechnungen öffnete und das Bordell aufgab. Das Strichmädchen muß dafür noch sagen: »Er hat mich aus der Gosse geholt«. Jetzt singt er wieder, Gott sei Dank.

Auch im Knast haben Burdi und Murdi ein wenig gesessen. Bei Erich Mielke (»roter Gott«, »der König des Terrors«) in Plötzensee. Der hat ihnen deshalb gestanden, daß er nur auf irre macht, es aber nicht ist. Der Beweis: Er liest »Zeile für Zeile, den Westberliner 'Tagesspiegel'«. Wer hat ihm das Rezept verschafft?

Und dann ist da noch der »unser lieber« Kommissar Jürgen Frohriep (Polizeiruf 110), der sich über jeden Besuch freut und nach einer Flasche Doppelkorn wie aus dem Drehbuch gelesen immer wieder gerne sagt: »Ich hab' ja noch zwei Freunde — meine Schapsflasche und den Sensenmann.«

Oder die Tochter von »Sudel- Ede«, die wegen gemeiner Drohanrufe heftig weint, ein Gefährte von Wüstenfuchs Rommel, der am Steuer seines Sportflugzeugs verstarb, Russenpanzer, Sowjetmüll, die RAF-Todesliste, ein Stasi-Jäger, die nacktesten TV-Ansagerinnen, vorerst vier blanke Oberweiten und fünf eingefleischte 'Super!‘-Fans, die neben ihrem Konterfei die Erstleserschaft gestehen: Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), die Showmaster Wolfgang Lippert und Karsten Speck sowie die Fußballtrainer Berti Vogts und Lothar Kurbjuweit (Rot-Weiß-Erfurt).

In der Mollstraße 1, ein Stockwerk über dem Robotron-Museum von 'adn‘ gehen Burdi und Murdi mehr als 100 Helfer aus allen deutschen Landen aufs modernste zur Hand, Schreiben, Fotos bearbeiten, Layouten, alles auf dem Bildschirm, in einem großen Büro, auf antistatischem Teppichboden unter einer schallschluckenden Decke. Alles digital und für Tarif, mindestens. Von nun an werden sie allabendlich ein sechzehnseitiges Datenpaket nach Vogelsdorf bei Berlin schicken (24 Seiten sollen es im Sommer werden).

Dort wird dann alles Wissenswerte über die FNL und seine Bewohner gedruckt, mit einer Auflage zwischen 300.000 und 500.000. 170 Millionen Mark haben Burdi und Murdi dafür investiert. In einem in nur vier Monaten umgebauten Betonplattenwerk lassen sie 240 umgeschulte Betonarbeiter an 20 Jahre alten Druckmaschinen arbeiten, die Murdi aus Leeds in Großbritannien herbeigeschafft hat. Die Dinger machen zwar noch etwas suppige Farbbilder — aber »für neue Maschinen hätten wir zwei Jahre Lieferzeit in Kauf nehmen müssen«, entschuldigt 'Super!‘-Pressesprecher Stephan Becker-Sonnenschein. Immerhin sei eine Zeitung, die schon acht Monate nach dem ersten konzeptionellen Gedanken erscheine, reif fürs Guinness-Book der Rekorde. (Rekordreif ist aber auch, daß schon zwei Chefredakteure verschlissen wurden, nach dem der 'Super!‘-Erfinder 'Prinz‘ das Blatt wieder verlassen hat und heim zu Springer ging). Eine Lokalredaktion Berlin gibt es nicht, dafür aber vier »Reporter auf Abruf«. Die Frauenredaktion heißt »Partnerschaftsredaktion«.

Besonders gern betont Becker- Sonnenschein, daß bei dem extra für den Osten konzipierten Boulevardblatt in der Redaktion immerhin 25 Prozent Ostler und 75 Prozent Westler arbeiten. In der Druckerei sei das Verhältnis gar umgekehrt.

Auch die große Mission des Blattes liegt im Osten. Publizistischer »Ombudsmann« für die Neubundesbürger wolle man sein, meint Becker-Sonnenschein, es gebe ein »Defizit« an Ostinformation, »die Leute sind mit den Westmedien nicht zufrieden«. Dagegen setze 'Super!‘ nun die Job-Börse, das Wut-Telefon, den großen Ost-Sportteil. »'Super!‘ wurde speziell für den Osten konzipiert, mit aufwendiger Marktforschung.« Becker-Sonnenschein: »Wir wollen kein Spagat-Medium sein, wie die 'Bild‘, die in Hamburg und Berlin erscheint.« Ob der viele Sex das Geschäft macht? Nein, der solle keine »tragende Rolle« spielen. Allerdings müsse man über das in den fünf neuen Ländern »zunehmende Problem der Prostitution berichten«.

'BZ‘ und 'Bild‘ betrachte man nicht als Konkurrenz, der es Auflage wegzunehmen gelte, sagt 'Super!‘- Geschäftsführer Jörn Könke treuherzig. Im Markt sei noch ausreichend »Potential«, schließlich gebe es in Deutschland weit weniger Boulevardzeitungen als woanders. Man sehe sich auf dem »teilnationalen Markt« als »Kaufzeitung neben den starken Regionalblättern«. Den Berliner und westdeutschen Markt peile man vorerst nicht an. Trotz »kleinen flexiblen Apparates« werde es »ein Kampf David gegen Goliath«. Hans-Hermann Kotte

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