: Gewandt, brillant und langweilig
Der Weltranglisten-Erste Stefan Edberg gewinnt seine Spiele, aber begeistert die Zuschauer nicht ■ Aus Hamburg Jan Feddersen
Schön sieht es aus, wenn er spielt. Begeisterung allerdings weckt er bestenfalls bei Tennisästheten, die die Unsitte, Vor- und/oder Rückhand beidhändig zu schlagen, schon immer für eine grundsätzliche Charakterschwäche gehalten haben: Stefan Edberg konnte sich ihres Lobes immer sicher sein.
Keiner bewegt sich so gewandt am Netz, niemand vermag einen Rückhandflugball stilistisch so sauber und für den Gegner unerreichbar zu treffen. Sein erster Gegner bei den Internationalen Tennismeisterschaften von Deutschland am Hamburger Rothenbaum, der Mainzer Alexander Mronz, hatte so auch nicht den Hauch einer Chance: 6:3, 6:1 gewann der „Schweiger aus Västervik“. Begeisterung freilich entlockte der langweiligste Weltranglistenerste seit den Tagen John Newcombes auch den Hamburger Zuschauern nicht.
Edberg, 24 Jahre, 1,88 Meter groß und 77 Kilogramm leicht, ist ein ästhetisch anspruchsvoller Arbeiter — ein Handwerker ohne Emotion, mithin ohne Genialität. Daß er vor Jahren anläßlich seines ersten Wimbledonsiegs mal die Faust ballte, durfte fast schon als Eskalation einer ganzen Gefühlswelt registriert werden. Typischer schon sein Verhalten auf Pressekonferenzen. „Bist Du mit dem Spiel zufrieden?“, die Frage. „Ja“, die Antwort. „Möchtest Du gewinnen.“ „Ich glaube, ja.“ „Und in Paris?“ „Ich versuche mein Bestes.“
Edberg versucht immer sein Bestes. Ausfälle wie die von Michael Stich, dem einzig verbliebenen deutschen Spieler im „One-Million-Dollar-Event“, würde er sich nie leisten. Überhaupt dieser Stich: Bereits im vergangenen Jahr, angelegentlich seines Einsatzes im Daviscup, irritierte er die Öffentlichkeit mit einem Auftreten, das so überhaupt nichts mit den braven Gebaren der Jelen, Steeb, Kühnen & Co. zu tun hatte. Kein „ich möchte gut spielen“, sondern ein entschiedenes „ich kann noch viel mehr“.
Beim Hamburger Turnier nun präsentierte der gebürtige Pinneberger, der am Rande Hamburgs aufgewachsene Weltranglistenfünfzehnte, neue Facetten seiner irgendwie auch schillernden Persönlichkeit. „Man entscheidet ja nicht allein wegen des Preisgelds, ob man irgendwo spielen will. Man guckt sich auch das Drumrum an“, diktierte er der Presse in die Blöcke und meinte damit wohl: Wenn ich schon hier spiele, will ich auch behandelt werden wie ein Star.
Wahrscheinlich weiß auch Michael Stich, daß Hochmut vor dem Fall kommt. Vorläufig jedoch siegt er und gibt somit den grauen Funktionären vom Deutschen Tennisbund keine Chance, ihn mit Tadeln und Verweisen zu breaken. Zum Auftakt schlurfte Stich sich mit einem mühsamen 1:6, 6:3, 7:5 über den Spanier Tomas Carbonell in die nächste Runde. Dort erteilte er Paul Haarhuis, dem schlanken Niederländer, der vor knapp zwei Jahren John McEnroe bei den US Open in der zweiten Runde aus dem Turnier warf, mit 7:5 und 6:0 eine Lektion.
Gewinnen werden indes weder Edberg noch Stich das Turnier — dazu ist die Übermacht der Sandplatzspezialisten wie Horatio de la Pena (6:7, 6:2, 6:4 über den Amerikaner Jim Courier), Alexander Wolkow, Goran Ivanisevic oder Goran Prpic zu groß, zumal die Plätze auf dem Hamburger Tennisgelände durch wochenlange Regenfälle derart langsam geworden sind, daß ein Spieler wie der Italiener Renzo Furlan sogar Ivan Lendl ohne nennenswerte Siegesschläge und vor allem aufgrund der bezirksklassereifen Darbietungen des zum „Ivan dem Harmlosen“ mutierten Noch-Tschechoslowaken mit 7:5, 6:4 aus der Konkurrenz werfen konnte.
Zwar ist Vorjahressieger Juan Aguilera bereits in der ersten Runde ausgeschieden, doch der Favorit ist nach wie vor im Rennen: Sergi Bruguera, Gewinner des Turniers in Monte Carlo, der Aufsteiger der Saison, der Spanier, der wie keiner sonst mit den Widrigkeiten des Aschentennis umzugehen weiß. Mit 6:3, 6:1 düpierte er den gleichfalls schnelle Plätze hassenden Argentinier Martin Jaite. Ob er gewinnt, wußte er naturgemäß nach der Partie nicht, aber „den Siegerscheck würde ich sehr, sehr gerne kassieren“.
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