Erster Rathaus-Stasi offenbart sich

■ FDP-Abgeordneter läßt Mandat ruhen/ FDP einigt sich mit CDU und SPD auf neues Modell zur Stasi-Überprüfung/ Jetzt soll Ehrenrat prüfen

Berlin. Den Eiertanz um die Stasi- Überprüfung der Berliner Abgeordneten bereicherten FDP, CDU und SPD gestern durch eine neue Pirouette. Nachdem die FDP am Mittwoch gemeinsam mit Bündnis 90/Grüne einen Untersuchungsausschuß gefordert hatte, einigte sich der innenpolitische Sprecher der Liberalen, Rolf-Peter Lange, gestern mit den Fraktionschefs der Regierungsparteien auf ein gemeinsames Vorgehen bei der Stasi-Überprüfung. Lange, Klaus Landowsky (CDU) und Ditmar Staffelt (SPD) schlugen ihren Fraktionen gestern gemeinsam vor, einen »Ehrenrat« einzusetzen.

Der Rat soll die Vorsitzenden aller Fraktionen und des Neuen Forums einschließen und unter der Leitung von Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) arbeiten. Seine Informationen soll das Gremium vom Stasi-Sonderbeauftragten Joachim Gauck, beziehen. Aufgrund der Bestimmungen des Einigungsvertrags müsse die Überprüfung »auf der Grundlage der Freiwilligkeit« erfolgen. Die Fraktionen von CDU, SPD und FDP gehen aber davon aus, daß alle Abgeordneten einen Antrag auf Überprüfung stellen. Der neue Vorschlag stellt offensichtlich einen Kompromiß dar. Die FDP hatte bislang einen Sonderausschuß gefordert und den Untersuchungsausschuß lediglich als »letztes Mittel« gutgeheißen, SPD und CDU wollten das Parlamentspräsidium beauftragen, Abgeordnete auf deren Wunsch — oder mit deren Zustimmung — zu überprüfen.

Durch das Ausscheren der FDP können die Oppositionsparteien nicht mehr die nötige Stimmenzahl zusammenbringen, um einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Die Bündnis-Fraktionschefin Renate Künast reagierte auf das neue Dreiparteienmodell mit herber Kritik. Der Ehrenrat sei ein bloßer »Vertuschungsrat«, erklärte sie. Im Gegensatz zu diesem Gremium hätte ein Untersuchungsausschuß weitgehendere Rechte, Informationen einzuholen und Zeugen zu vernehmen. Die PDS, die gestern ihre Unterstützung für einen Untersuchungsausschuß zusagte, bezeichnete den Ehrenrat als »pure Kosmetik«. Offenbar sei es CDU und SPD »peinlich« gewesen, vor einen mit den Stimmen der PDS eingesetzten Untersuchungsausschuß zitiert zu werden, sagte ihr Abgeordneter Harald Wolf.

Der FDP-Abgeordnete Hans-Peter Wolf läßt, wie gestern bekannt wurde, sein Mandat wegen der gegen ihn erhobenen Stasi-Vorwürfe vorerst ruhen. Er habe bereits am Mittwoch die FDP-Fraktionsleitung von »dienstlich bedingten Kontakten« unterrichtet, die er zur Stasi unterhalten habe, schrieb Wolf in einer persönlichen Erklärung. Nach seiner »festen Überzeugung« habe er mit seinen Kontakten »keinem geschadet«. Er sei selbst »dringend daran interessiert«, daß die Vorgänge in einem »rechtsstaatlichen Verfahren« geklärt würden. Seine Fraktion müsse den Sachverhalt nun bewerten. Der diplomierte Landwirt und Doktor der Politologie war in der DDR als LPG-Vorsitzender, hauptamtlicher LDPD-Mitarbeiter und zuletzt im DDR-Umweltministerium tätig. Er arbeitet heute als Referent in der Berliner Außenstelle des Bundesumweltministeriums. hmt