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Parkplatz für überflüssige Arbeitskräfte

Magdeburger Modell in der Sket AG als sozialpolitisches Begleitprogramm für den Abbau der Belegschaft nach saarländischem Vorbild entwickelt/ Beschäftigungsgesellschaft und Einsatzbetriebe sichern dem Konzern das Arbeitskräftereservoir  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg. Der 30. Juni rückt immer näher und damit das voraussichtliche Ende des Kündigungsschutzabkommens in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie. Fachleute erwarten schon jetzt einen heißen Sommer, Hunderttausende von Arbeitnehmern haben Angst, ab Ende Juni endgültig auf der Straße zu sitzen. Allein bei der Magdeburger Sket AG, dem größten ehemaligen Schwermaschinenbaukombinat in Sachsen-Anhalt, schieben einige tausend Mitarbeiter Kurzarbeit, überwiegend mit null Stunden. Dennoch: Sie müssen sich keine besonders großen Sorgen um ihre nähere Zukunft machen. Zur Sanierung des Konzerns hat sich Sket den Saarländer Hans-Werner Reckstadt an die Elbe geholt. Der hat bereits einschlägige Erfahrungen, denn er hat die Saarstahl AG in Völklingen saniert. Erfolgreich und sozialverträglich.

Gemeinsam mit dem Sket-Betriebsrat, dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und anderen Partnern hat Reckstadt ein sozialpolitisches Begleitprogramm für den Abbau der Belegschaft entwickelt, das auch für andere Wirtschaftszweige in den neuen Bundesländern beispielhaft sein kann.

Über 3.000 Mitarbeiter sollen im Magdeburger Sket-Stammwerk abgebaut werden, fast 7.000 im Sket- Konzern insgesamt. Aber von denen soll kein einziger auf der Straße stehen, verspricht Reckstadt.

Das sozialpolitische Begleitprogramm der Sanierung umfaßt die Übernahme aller Auszubildenden, einen strikten Einstellungsstopp und die Gründung von Einsatzbetrieben und Beschäftigungsgesellschaften. In den Einsatzbetrieben werden die Mitarbeiter weiter von Sket beschäftigt. Nur bezahlt werden sie von anderen Stellen. Arbeitsamt, Bundes- und Landeszuschüsse und auch Geld aus der EG-Kasse sorgen dafür, daß die Mitarbeiter nicht stempeln gehen müssen. Statt dessen werden sie fortgebildet und umgeschult.

Im Stammbetrieb in Magdeburg ist bereits der erste Einsatzbetrieb ins Leben gerufen worden. „Wir gehen davon aus, daß rund 3.000 Mitarbeiter dahin überführt werden“, sagt Reckstadt. Das Beschäftigungsverhältnis der Mitarbeiter würde dabei aufrechterhalten, allerdings hätten die Mitarbeiter auch die Verpflichtung, angebotene Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen sowie Arbeitsbeschaffungsprogramme zu nutzen. Die Einsatzbetriebe sind eine Art Arbeitskräftereservoir für den Sket-Konzern. Das erklärte Ziel, die Mitarbeiter für den modernen Arbeitsmarkt der Martwirtschaft zu qualifizieren, verfolgt Sket nicht so uneigennützig. „Wir gehen davon aus, daß diese dann qualifizierten Arbeitnehmer bei uns wieder benötigt werden und uns dann auch zum großen Teil wieder zur Verfügung stehen.“ Denn Reckstadt glaubt fest an den mittelfristigen Konjunkturaufschwung, der auch die Sket AG wieder zu einem florierenden Unternehmen macht. Für diese Übergangszeit will er sich eine Arbeitskraftreserve sichern. Der Einsatzbetrieb als „Parkplatz“ für vorübergehend überflüssige Arbeitskräfte? „Das kann man so nennen“, gibt Reckstedt zu. „Wir werden natürlich viele dieser Mitarbeiter als Ersatz für unsere Fluktuationsabgänge benötigen.“ Und wenn es bei Sket wieder aufwärts gehe, wolle der Konzern natürlich auf diese Arbeitskräfte zugreifen können, die die Arbeitsabläufe in dem Unternehmen genau kennen.

Derzeit baut der Konzern in seinem Magdeburger Stammwerk eine stillgelegte Gießerei zu einem Schulungszentrum um, in dem in einem ersten Anlauf 150 Umschulungsplätze für hochqualifizierte Baufachberufe geschaffen werden. Das sei erst der Anfang, meint Reckstadt.

Wer von den Mitarbeitern aber auch im Einsatzbetrieb keine Zukunftschance bekommt, wird von einer Beschäftigungs- und Sanierungsgesellschaft übernommen, die Sket gerade gemeinsam mit der Stadt Magdeburg gegründet hat. GISE heißt diese Firma, was Gesellschaft für Innovation, Sanierung und Entsorgung bedeutet.

„Diese Gesellschaft soll insbesondere im Sanierungsbereich arbeiten“, erläutert Reckstadt. „Zum Beispiel bei der Sanierung von Gründstücken und Industriegebieten, beim Abriß von nicht mehr sanierungsfähigen Gebäuden, bei der Aufarbeitung und Entsorgung von kontaminierten Flächen sowie beim Aufbau von Recycling-Technologien.“

Denn Arbeit gibt es genug, findet Reckstadt, es muß sich nur jemand finden, der sie macht und der sie bezahlt. Das tun in diesem Fall das Arbeitsamt und der Bund über das Gemeischaftsprogramm „Aufschwung Ost“. Die Mitarbeiter werden zu 100 Prozent aus ABM-Mitteln bezahlt, und die Arbeitsverwaltung steuert den Löwenanteil der Sachkosten für diesen Beschäftigungsbetrieb bei, der Rest kommt vom Sket-Werk. „Qualifizierung durch Berufserfahrung“ heißt das Zauberwort für diese Beschäftigungsgesellschaft.

Das zweistrangige Modell ist nicht ohne Vorbild und könnte tatsächlich erfolgversprechend werden. Dennoch stehen die Sket-Mitarbeiter dieser Art von Arbeitsplatzabbau noch mit recht gemischten Gefühlen gegenüber. „ABM ist vielleicht keine schlechte Sache“, meint einer, „aber es ist doch so, daß das immer nur eine vorübergehende Geschichte ist. Was wird, wenn die ABM ausläuft und die Wirtschaft doch nicht boomt?“ Es sei sicher gut, daß keiner der Kollegen, die jetzt Kurzarbeit Null schieben, wirklich arbeitslos werde, findet ein anderer. „Die haben so doch ein Einkommen für sich und ihre Familien, aber ehrlich: Mein fester Arbeitsplatz bei Sket selbst ist mir lieber.“

Sket-Arbeitsdirektor Werner Reckstadt ist da zuversichtlicher als seine Mitarbeiter in der Produktion. Er hat schließlich Erfahrungen bei der Saarstahl AG gemacht. Mit einem ähnlichen Konzepet wie jetzt für Sket hat er den maroden Stahlkonzern wieder in die schwarzen Zahlen gehievt. „Wir hatten erhebliche Anpassungsprobleme in der saarländischen Stahlindustrie“, sagt er, „und wir haben sie gemeistert, nicht mit viel Geld, sondern mit guten Ideen.“ Natürlich, so gibt er zu, sei ihm das Saarland zu Hilfe gekommen. Allerdings sei es im Zuge seiner Sanierungsbemühungen unerwartet zu einer Konjunktur in der Stahlindustrie gekommen. „Von diesem Glück hoffe ich, daß es mich nicht verläßt.“

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