piwik no script img

Dresden — Hauptstadt der rechten Bewegung

In der sächsischen Landeshauptstadt konzentrieren sich immer mehr rechtsradikale Gruppierungen. Sogar der Kühnen-Nachfolger Küssel verlegte seinen Wohnsitz an die Elbmetropole. Übergriffe auf AusländerInnen und linke Kneipen gehören inzwischen zur Tagesordnung. Die Behörden reagieren darauf hilflos, spielen die Probleme herunter — und genehmigen großzügig rechte Veranstaltungen und Aufzüge.  ■ VonBerndSiegler

Coffeeshop Bronxx: Die Lettern sind kaum noch zu entziffern, das Holz, auf dem sie stehen, ist verkohlt. Die Fensterscheiben im Erdgeschoß des Hauses in der Alaunstraße im Dresdner Stadtteil Neustadt sind eingeschlagen, Ruß schwärzt die Fassade des vierstöckigen Baus aus der Gründerzeit. Das Café „Bronxx“ ist abgebrannt. Ein Brandanschlag hat den Szenetreffpunkt am Neujahrsmorgen 1991 völlig zerstört — rechtsradikale Skinheads hatten ihre Drohung wahrgemacht. Die Dresdner Stadtverwaltung ließ inzwischen Ziegelsteine ankarren lassen. Damit sollen wenigstens die Fenster zugemauert werden. Auch die Justiz hat reagiert. Sie hat die Ermittlungen eingestellt. Und die Polizei? „Die Polizeipräsenz half ein Übertreten der Aggressionsschwelle zu verhindern. Von vier Jungerwachsenen wurden die Personalien festgehalten“, vermeldet im schönsten Amtsdeutsch der Polizeirapport. Die vier stadtbekannten Rechtsradikalen sind wenige Stunden nach dem Anschlag wieder auf freiem Fuß. Sie und ihre Gesinnungsgenossen haben eine traurige Spur hinterlassen: Ein Straßenbahnwagen wurde mit Hakenkreuzen und SS-Runen beschmiert, zwei Kneipen wurden überfallen, das „Bronxx“ ging in Flammen auf, Gunnar J., Wirt des Café „100“, ebenfalls in der Alaunstraße, mußte mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden.

„Gegen ein Uhr kam ein Trupp Glatzen ins Lokal rein und fing an, das Buffet zu demolieren“, erzählt Gunnar, der aus Westdeutschland nach Dresden gekommen ist. Seine Anrufe bei der Polizei führten zu keinem Ergebnis. Als Gunnar schließlich aus dem Lokal geht und zu einem nahen Streifenwagen läuft, fährt dieser fort. Auf dem Weg zurück in sein Café wird der Wirt von Skinheads verfolgt. Als er ausrutscht, wird er zusammengeschlagen. „Die haben ganz gezielt nur nach dem Kopf getreten — ich würde das versuchten Totschlag nennen.“ Die Cafébesitzer der Dresdner Neustadt werfen der Polizei nach der Randalenacht Untätigkeit vor. „Soll es denn wirklich erst einen Toten geben?“ fragen sie empört.

Den gibt es bereits seit dem 6. April, als der 28jährige Mosambikaner Jorge Gomondai im Krankenhaus verstarb. Er war von einer Gruppe Skinheads in der Straßenbahn verprügelt und aus dem fahrenden Zug auf die Straße geworfen worden. Der Tod des Arbeiters ist der vorläufige Höhepunkt einer langen Serie von rechtsradikal motivierter Gewalt in der sächsischen Landeshauptstadt. Marita Schieferdecker-Adolph, die örtliche Ausländerbeauftragte, prägte bereits den Begriff von der „Hauptstadt der Bewegung“: „Ein Ansteigen des Rechtsradikalismus trifft au viele Städte in der ehemaligen DDR zu. Es zeigt sich aber derzeit, daß sich die Leute aus dieser Szene in Dresden sehr viel wohler fühlen als in ihren Städten und hier einen sehr viel besseren Boden finden.“ Nicht zuletzt deswegen, weil die Stadtverwaltung sehr großzügig mit der Genehmigung rechtsradikaler Veranstaltungen verfährt. Dresdens Oberbürgermeister Herbert Wagner reagiert dagegen eher trotzig und hilflos. „Dresden ist keine gewalttägige Stadt“, erklärt der CDU-Mann und macht das „sorgenvolle Händereiben der Medien“ für die Zunahme rechtsradikaler Aktivitäten verantwortlich.

Wir sind der Angriffspunkt

Auch die Polizei in der Elbestadt wiegelt ab. Polizeisprecher Andreas Thomas wähnt seine Heimatstadt nicht in Gefahr. „Natürlich können bei uns Ausländer abends auf die Straße gehen.“ Der Inder Timm, bei der Ausländerbeauftragten im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingestellt, sieht das anders. „Nach sieben Uhr abends gehe ich nicht mehr allein aus dem Haus.“ Er befolgt damit den Rat seiner Chefin, die Spaziergänge von Ausländern bei Dunkelheit als „lebensgefährlich“ bezeichnet. Der Vietnamese V., der in einem für DDR-Verhältnisse typischen Ausländergetto wohnt, hat auch Angst und will seinen Namen nicht erwähnt wissen. Wenn jemand von uns Spät- oder Nachtschicht habe, erzählt er, werde er von einer Gruppe zur Arbeit begleitet und dort auch wieder abgeholt. „Wir sind der Angriffspunkt“, sagt V. und erinnert an einen Vorfall im letzten Winter. In der Nacht nach der gesamtdeutschen Wahl zerstörte eine Gruppe von Skinheads die Fensterscheiben im Erdgeschoß seines Wohnblockes. Danach warfen sie Molotow-Cocktails in die Fenster, mehrere Zimmer brannten aus. Die Skinheads veranstalteten anschließend regelrechte Treibjagden auf die dort wohnenden Vietnamesen und drangen bis in die Treppenhäuser vor. Dort wurden sie dann zurückgeschlagen. Siedlungen am Stadtrand wie die, wo V. lebt, gibt es viele in Dresden. In diesen Ende der siebziger Jahre entstandenen Wohnsilos ohne Infrastruktur — selbst die Straßen fehlen — hat die alte Dresdner SED-Stadtverwaltung bevorzugt die über Regierungsabkommen ins Land geholten AusländerInnen untergebracht. Die Vietnamesen, Mosambikaner und Angolaner lebten dort isoliert, jedem standen ganze fünf Quadratmeter Platz zu. Unbefugten war das Betreten der sogenannten „Arbeiterwohnheime“ verboten, Besucher mußten sich bei der Rezeption melden — von Völkerfreundschaft und internationaler Soldidarität keine Spur. Insgesamt lebten in der DDR 180.000 ausländische Menschen, etwas mehr als ein Prozent der Bevölkerung. Die meisten haben das Land bereits verlassen, erst ab acht Jahren Aufenthalt bietet der Einigungsvertrag eine Art Bleiberecht. Für die, die „freiwillig“ gehen wollen, gibt es eine Prämie: 3.000 D-Mark auf die Hand und das Flugticket. Diejenigen, die bleiben, müssen binnen drei Monaten ihr Zimmer im Arbeiterheim räumen und eine eigene Wohnung finden. Ein nahezu hoffnungsloses Unterfangen. Wie überall in der Ex-DDR herrscht auch in Dresden eklatante Wohnungsnot. 30.000 Wohnungssuchende sind derzeit in der Landeshauptstadt registriert.

Im Hans-Otto-Weg leben jetzt noch 235 Vietnamesen. Sie haben das Glück, daß die Stadt Dresden die Häuser in kommunale Trägerschaft übernommen hat und sie zu günstigen Konditionen an die Vietnamesen vermietet. Für dieses Entgegenkommen will der Vietnamese V. die Stadtverwaltung nicht enttäuschen. Er und seine Landsleute haben in einer Aufräumaktion den Müll im ganzen Block, „auch den der Deutschen“, beiseitegeschafft. „Da haben mir die Deutschen auf die Schulter geklopft“, schildert V. voller Stolz. V. will hier „ein richtiges Zuhause haben“ und wünscht sich, daß die Deutschen ihn verstehen. Ihn und seine Landsleute, die ins Land geholt wurden, um die Dreckarbeit zu machen, die kein DDR-Bürger machen wollte, und die jetzt nicht mehr wissen, was sie noch tun sollen, um gerade von diesen Deutschen akzeptiert zu werden.

„Vor der Wende wurden Ausländer immer bevorzugt. Jetzt haben unsere Jugendlichen keine Arbeit, hängen rum, und auch Freizeitmöglichkeiten gibt es kaum, wo sie ihren Frust sinnvoll abreagieren können.“ Eine 71jährige Rentnerin läßt ihren Vorurteilen freien Lauf, an denen „Republikaner“, NPD und „Deutscher Volksunion“ geschickt anknüpfen. In der trostlosen Trabantenstadt Gorbitz, wo die alte Frau lebt, „konzentriert sich der harte Kern von 40 bis 50 Personen der Dresdner Rechtsradikalen“, weiß der Chef der Bezirkspolizeibehörde Andreas Arnold zu berichten. Nach Gorbitz fuhr auch die Straßenbahnlinie 7, in der Jorge Gomondai zu Tode geprügelt wurde. Im Jugendclub „Espe“ hat die „Kameradschaft Gorbitz“ ihr Domizil. Drei Tage nach dem Tod von Gomondai glaubte sie zu einer Pressekonferenz einladen zu müssen. Dort distanzierte sich Kameradschaftsführer Lutz Kronenberger, vorher oft bei Randaleaktionen gesichtet, von Gewalt. An der Wand jedoch stehen Parolen wie „Jorge, du bist nicht der letzte, wir kriegen euch alle.“

Die Kameradschaft Gorbitz pflegt enge Kontakte zu allen in Dresden aktiven Gruppierungen der militanten rechten Szene — zum „Nationalen Widerstand Deutschlands“ (NWD), dem „Verband der Sächsischen Werwölfe“ (VdSW), dem „Jungen Sturm“ (JS), der „Schutzstaffel Ost“ (SSO) oder der jüngst ins Leben gerufenen „Wehrsportgruppe Hans-Joachim Peiper“. Diese Dresdner Gruppen sind der schlagende Arm der Bewegung und an nahezu allen Ausschreitungen und Anschlägen beteiligt — das weiß auch die Polizei. Trotzdem verlief ein Verfahren gegen die „Schutzstaffel Ost“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung bislang ohne Ergebnis. Die SSO hatte ihre Gründung sogar in einem anonymen Brief an die örtliche 'Sächsische Zeitung‘ mitgeteilt. Man werde gegen PDS, Grüne und Ausländer vorgehen, Auftritte „kommunistischer Luftverpester“ verhindern und für ein „politisch sauberes Deutschland“ kämpfen, hieß es unzweideutig in dem Schreiben.

Kriminalunterkommissar Klaus Kupietz, Leiter der Abteilung Extremismus im Polizeikreisamt Dresden, ist sogar der Drahtzieher der rechtsextremen Szene in Dresden bekannt. Es ist Rainer Sonntag aus dem Stadtteil Leuben. Sonntag war 1987 in die Bundesrepublik ausgereist, dort in Michael Kühnens Umfeld aktiv und wurde wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt. Im Januar 1990 kehrte er nach Dresden zurück. Sonntag wurde zwar mehrfach in Dresden festgenommen, vor Gericht mußte er sich dennoch nie verantworten. Neben Sonntag agieren insbesondere Dirk Vogel und Michael Vietze an vorderster Front. Alle drei waren federführend im November 1990 an der Besetzung eines Altbauhauses in der Rabenauerstraße beteiligt. Dort sollte ein Zentrum der Rechtsradikalen entstehen. Obwohl unübersehbar an der Hauswand die Initialen ihrer Gruppen prangten, griff die Polizei erst nach zweimaliger Aufforderung des Hauseigentümers ein und räumte das Anwesen. Polizeikommissar Kupietz weiß auch, daß sich eine Vielzahl der vormals in Ost-Berlin aktiven Neonazis mittlerweile in Dresden aufhält. Ihnen ist das Pflaster dort zu heiß geworden. Auch der Österreicher Gottfried Küssel von der „Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition“ (VAPO), inzwischen Nachfolger des verstorbenen Michael Kühnen, verlegte seinen Schwerpunkt von Berlin nach Dresden und mischte im letzten Sommer zusammen mit bundesdeutschen Neonazis beim Parteitag der rechtsradikalen „Deutschen Alternative“ in Cottbus mit. Dort wurde der Dresdner Ray Träger und der Ostberliner Karsten Wolter in den Vorstand der gesamtdeutschen „nationalen Protestpartei“ gewählt.

„Sieg Heil“ mit behördlichem Segen

Im letzten Herbst marschierten 500 bis 600 „Sieg Heil“-schreiende Rechtsradikale, eskortiert von zwei Polizeihundertschaften, unter dem Banner der Reichskriegsflagge durch Dresden und skandierten: „Heute gehört uns Deutschland, morgen die ganze Welt.“ Vor der Semper-Oper flogen die Arme der Neonazis hoch zum „deutschen Gruß“, und Michael Kühnen, schon von Aids gezeichnet, beendete seine Rede mit einem zackigen „Heil Deutschland“. Die Polizei schritt nicht ein, schließlich hatte Dresdens OB den Aufmarsch der „Initiative Deutschland“ unter dem Motto „Deutsche Einheit — soziale Gerechtigkeit“ genehmigt. Auch als die Teilnahme Kühnens, immerhin die Nummer eins unter den militanten Rechten, an dem Aufzug bekannt geworden war, änderte Wagner, der seine politische Linie gern als „Mitte mit Tiefgang“ bezeichnet, seine Meinung nicht. Bei einem Verbot, so das Stadtoberhaupt, hätten „die Leute die Demonstration erzwungen oder vielleicht Vietnamesen verprügelt“. Wagner, der in Dresden mit einer Allparteikoalition ohne die PDS regiert, berief zwar einen Krisenstab ein. Jedoch nicht der Aufmarsch der Rechten bereitete ihm Kopfzerbrechen, sondern eine Gegendemonstration wurde plötzlich als potentielle Gefahr ausgemacht.

Rechtsradikale finden offensichtlich bei Dresdens Stadtverwaltung ein offenes Ohr für ihre Veranstaltungen. So konnte der Geschichtsrevisionist David Irving seine Thesen zur „Auschwitz-Lüge“ mit behördlichem Segen nicht nur in der Technischen Universität, sondern auch im besten und größten Saal der Stadt, im Kulturpalast, verbreiten. Dort durften auch „Republikaner“- und NPD-Funktionäre sich über nationale Identität und europäische Weltpolitik austauschen.

„Dresden hat eine starke rechtsextreme Szene“, resümiert die Kripozentrale der fünf neuen Bundesländer, das Gemeinsame Landeskriminalamt Berlin (GLKA). Diese Szene hebe sich von anderen Städten durch eine „außerordentliche Gewaltbereitschaft und Gewalttätigkeit“ ab. Die Waffenbeschaffung ist für die Szene kein Problem. In Dresden werden Kalaschnikows unter dem „Libanon-Preis“ für 100 D-Mark das Stück gehandelt. Kriminaloberrat Bernd Wagner, GLKA-Extremismusexperte, bestätigt für Sachsen, daß die gesamte Szene „durchorganisiert und vernetzt“ sei. Viele Gruppen arbeiteten „nach konspirativen Methoden“ und seien inzwischen in der Lage, „Taktiken gegenüber der Polizei“ zu entwickeln. Dresdens Polizeisprecher Thomas will dies nicht wahrhaben und betont, daß man schließlich „nicht die rechte Gesinnung jagt, sondern die Kriminalität“. Doch selbst das vermißt Marita Schieferdecker-Adolph. Sie hat oft „eine Stinkwut“, wenn sie von Ausländern erfährt, daß deren Anzeigen nicht bearbeitet und manchmal gar nicht erst aufgenommen werden. Und das, obwohl die wenigsten zur Polizei gehen. „Viele haben Angst vor der Gegenüberstellung“, erklärt die Ausländerbeauftragte. Straßenhändler, von denen die Rechtsradikalen Schutzgelder erpressen, laufen bei einer Anzeige zudem Gefahr, selbst wegen fehlender Gewerbeerlaubnis belangt zu werden. „Vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Polizei und Ausländern“ stehen daher bei Schieferdecker-Adolph ganz oben auf ihrer Wunschliste.

Die Ermittlingstätigkeit der Polizei im Fall des ermordeten Jorge Gomondai trägt nicht dazu bei, den Ausländern die Skepsis vor der Polizei zu nehmen. Am Tatort hielten Beamte den schwer verletzten Mosambikaner für betrunken und nahmen weder die Personalien der Zeugen, noch die der mutmaßlichen Täter auf. Auch die örtliche Presse scherte sich wenig um den Vorfall. Das änderte sich schlagartig mit dem Tod des Ausländers. Dann begann auch die polizeiliche Ermittlungstätigkeit. Per Zeitungshinweis wurde nach Zeugen gesucht. Derzeit laufen die Ermittlungen wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge. „Das muß als Mord geahndet werden“, fordert dagegen die Ausländerbeauftragte.

Dresdens leitender Oberstaatsanwalt Jörg Schwalm schließt zwar angesichts der schweren Ermittlungspannen Konsequenzen gegen die in der Tatnacht diensthabenden Beamten nicht aus, nimmt jedoch die Polizei gegenüber Vorwürfen in Schutz. Der Chefankläger aus Nürnberg, der die Anklage im Mammutverfahren gegen den Wehrsportgruppenchef Karl-Hein Hoffmann vertrat, macht „personelle und materielle Unzulänglichkeiten“ für die Fehler verantwortlich, fordert eine bessere Ausbildung der Schutzpolizei und insbesondere mehr Polizeipräsenz in der Stadt. Nur so könne man das Problem in den Griff bekommen. Kritik der Polizei an die Adresse der Justiz, daß einmal Festgenommene viel zu schnell wieder auf freien Fuß gelangen, hält Schwalm den „hohen Schutz des Unschuldigen in einem Rechtsstaat“ entgegen. Um jedoch in Dresden nicht den Eindruck entstehen zu lassen, die Justiz würde im Falle Rechtsradikaler schlafen, will Schwalm den Zeitablauf der Verfahren beschleunigen und aus „generalpräventiven Gründen schnelle Verurteilungen herbeiführen“. Es sei eben „ein langer Weg zur inneren Sicherheit“, resümiert Schwalm.

Die Ausländerbeauftragte aber will nicht den langen Weg gehen. Sie plädiert für eine verstärkte Sozialarbeit mit den Rechtsradikalen. Das Anwachsen des Rechtsradikalismus ist für sie auch eine Altlast aus DDR-Zeiten. „Da gehört die Sozialpolitik der DDR dazu, die Kinder schon in frühesten Jahren in Kinderkrippen zu stecken und dort einer autoritären Erziehung mit Schwarz-Weiß-Malerei auszusetzen“, führt sie aus, „das setzte sich in der Schule fort mit dem Ergebnis, daß jetzt die Jugendlichen in einem luftleeren Raum stehen. Sie würden jetzt gerne wieder jemanden haben, der ihnen sagt, was sie machen sollen. Da bieten sich dann die rechten Führer an.“

Der Sprecher der sächsischen Landesregierung, Kinze, setzt unterdessen auf das Herunterspielen der Probleme. Beim Trauergottesdienst für den Mosambikaner Jorge Joao Gomondai in der Kreuzkirche gibt er zum Besten, daß er im Tod des Ausländers „die Schwierigkeit vieler Menschen, ihren Standort in der freiheitlich-demokratischen Ordnung zu finden“, sehe. Die Regierung von Sachsen werde sich bemühen „gesunde, attraktive Alternativen für die Freizeitgestaltung zu finden“.

OB Wagner zieht es vor, gar nicht erst in der Kreuzkirche zu erscheinen. Danach ziehen etwa 7.000 zu dem Ort, wo Gomondai schwer verletzt aus der Straßenbahn geworfen worden war. AusländerInnen tragen Plakate mit der Aufschrift: „Jeder von uns kann der nächste sein.“ Noch bevor der Trauerzug sein Ziel erreicht, setzen etwa 100 Rechtsradikale zum Angriff an und wundern sich, daß sie dabei auf Gegenwehr stoßen. „Das war“, so Georg, Mitglied einer Antifa-Initiative, der „Wendepunkt“. Von dem Dogma „keine Gewalt“ aus der Zeit der Demokratiebewegung sei erstmals abgewichen worden — „mit Erfolg“, wie er betont. Die Skinheads ergriffen die Flucht oder klagten der Polizei ihr Leid.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen