: Sechs Jahre Haft für Winnie Mandela
■ Richter von Mitschuld bei Folterungen vierer Jugendlicher überzeugt/ Appell an Verantwortung
Johannesburg/ Berlin (afp/ap/taz) — Winnie Mandela „ist eine Führungsperson und hat die Verantwortung, die damit verbunden ist, mißverstanden oder außer acht gelassen“. So begründete Richter Michael Stegmann gestern, warum die prominente südafrikanische Bürgerrechtlerin Winnie Mandela wegen ihrer Rolle bei der Entführung und Folterung von vier schwarzen Jugendlichen zur hohen Strafe von sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Das Oberste Gericht in Johannesburg ließ Frau Mandela gegen eine Kaution von 200 Rand (120 Mark) auf freiem Fuß, bis über die Berufungsanträge der Verteidigung entschieden ist.
Winnie Mandela (56) verließ lächelnd und mit erhobener Faust das Gericht und wurde von etwa 400 Anhängern mit ohrenbetäubenden „Viva“-Rufen empfangen. ANC-Vizepräsident Nelson Mandela hielt sich gestern in Kapstadt auf. Richter Stegmann warf Winnie Mandela vor, „nicht die geringste Reue“ zu empfinden. Er bezeichnete sie während der Urteilsverkündung auch als „kaltblütige, schamlose Lügnerin“, die das Gericht hinters Licht führen wollte.
Winnie Mandela wurde wegen Entführung zu fünf und wegen Beihilfe zur Körperverletzung zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Ihr Fahrer John Morgan erhielt eine einjährige Haftstrafe, die auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mandelas Freundin, Xoliswa Falati, die ebenfalls auf Kaution vorläufig frei ist, soll für sechs Jahre ins Gefängnis. In dem vor drei Monaten begonnenen Prozeß ging es um die Entführung von vier Jugendlichen Ende 1988 in das Mandela-Haus in Soweto bei Johannesburg. Die vier, die angeblich vor sexuellen Belästigungen eines weißen Methodisten-Pfarrers geschützt werden sollten, wurden anschließend schwer mißhandelt. Frau Mandela muß nach Überzeugung des Gerichts darüber unterrichtet gewesen sein, habe aber nichts unternommen. Seit die linke Wochenzeitung 'Weekly Mail‘ das Tabu-Thema 1989 publik machte, sank der Stern Winnie Mandelas, die einst „Mutter der Nation“ genannt wurde. Aufgrund ihres Verhaltens distanzierte sich die Anti-Apartheid-Bewegung kurze Zeit später von ihr.
Nelson Mandela kommentierte gestern aus Kapstadt, er glaube, daß die Berufung erfolgreich sein werde. Außerdem habe er „nie daran geglaubt, daß sie schuld an Gewaltanwendungen gegenüber irgendjemand war, und das Urteil des Gerichts hat diese Auffassung bestätigt“. SEITEN 7 und 10
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen