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Rolls-Royce-Arbeitsplätze sind wenig komfortabel

Geschäftsleitung will Lohnkürzungen mit Kündigungsschreiben erzwingen  ■ Von Ralf Sotscheck

Ihre Autos gelten als der Inbegriff von Luxus. Wenig komfortabel jedoch sind derzeit die Arbeitsplätze bei der britischen Rüstungsfirma Rolls Royce. Sämtliche 34.000 Arbeiter und Angestellte haben in dieser Woche Kündigungsschreiben erhalten, mit denen sie gezwungen werden sollen, einem sechsmonatigen Einfrieren der Löhne zuzustimmen. Wer nach Ablauf der Kündigungsfrist zur Arbeit erscheine, zeige damit seine Zustimmung zu den neuen Arbeitsverträgen, heißt es in den Kündigungsbriefen. Diese Fristen betragen je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen einer Woche und drei Monaten.

Die Firmenleitung bezeichnete die Kündigungen als eine „legale Formalität“. Das Einfrieren der Löhne sei notwendig, weil das Rüstungsgeschäft seit dem Ende des Golfkriegs und der verbesserten Ost- West-Beziehungen deutlich nachgelassen habe. Außerdem sei auch die Nachfrage in der zivilen Luftfahrt gesunken. Geschäftsführer Ralph Robins sagte, durch die Maßnahmen bleibe Rolls Royce gegenüber der Konkurrenz aus den USA wettbewerbsfähig. Die Belegschaft wurde am Wochenende gruppenweise zur Information vor die Geschäftsleitung zitiert. Dabei wurde ihr mitgeteilt, daß sie weder Fragen stellen noch mit der Presse sprechen dürfe.

Rolls Royce hatte bereits vor kurzem den Abbau von 6.000 Stellen bis Ende diesen Jahres bekanntgegeben. In der Firma kursieren Gerüchte, daß im nächsten Jahr 4.000 weitere Jobs gestrichen werden sollen. Insgesamt droht also einem knappen Drittel der Belegschaft die Entlassung. Die Firmenleitung nahm zu diesen Zahlen nicht Stellung.

Rolls Royce galt bisher als „vorbildlicher Arbeitgeber“. Deshalb haben die Kündigungen zur Erzwingung der Lohneinfrierung einen tiefen Schock ausgelöst. „Wir hatten bis jetzt immer gute Beziehungen zum Management“, sagte ein Arbeiter, der bereits seit 27 Jahren bei der Firma beschäftigt ist. „Zwar hat uns nicht alles gefallen, was in der Vergangenheit passiert ist, aber wir haben uns immer an einen Tisch gesetzt und verhandelt. Dadurch waren bestimmte Maßnahmen für die Belegschaft und auch für das Unternehmen weniger schmerzhaft. Diesmal war es jedoch ein Diktat.“ Sein Kollege fügte hinzu: „Die Leute sind völlig desillusioniert, weil sie einfach wie Dreck behandelt werden.“ Gewerkschaftssekretär Bob Higgins ist davon überzeugt, daß die Atmosphäre bei Rolls Royce in Zukunft vergiftet ist: „Die Art, wie die Firma die Gewerkschaften ignoriert, ist wohl kaum der richtige Weg, mit Industriebeziehungen in den neunziger Jahren umzugehen.“

Britische WirtschaftsexpertInnen sehen die Rolls-Royce-Taktik als Folge der unter Margaret Thatcher durchgesetzten Veränderungen im Tarifrecht zugunsten der Arbeitgeber. Die neuen Gesetze haben den Unternehmern Machtmittel in die Hände gegeben, die bis dahin unvorstellbar waren. Die verschiedenen Gewerkschaften, die für Rolls Royce zuständig sind, beraten heute in dem von Schließung bedrohten Hubschraubermotorenwerk Leavesden bei Watford über Gegenmaßnahmen. Die Gewerkschaftsanwälte sind der Meinung, daß die Änderungskündigungen sowohl gegen britisches, als auch gegen europäisches Arbeitsrecht verstoßen. Todd Sullivan, Sekretär der Angestelltengewerkschaft, sagte, daß auch ein Streik in Erwägung gezogen werde.

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