: FNL-Regierungen: Mehr Wessis her
■ Ministerien und Verwaltungen im Osten suchen weitere kompetente Verstärkung von drüben
Berlin (dpa) — Die Regierungen der fünf neuen Bundesländer wünschen den Einsatz zusätzlicher sachkundiger Beamter und Angestellter aus dem Westen. Allerdings ist die Sehnsucht nach den „Wessis“ von Land zu Land unterschiedlich stark ausgeprägt und erstreckt sich auch nicht auf alle Ressorts und Aufgabenbereiche. Dies geht aus einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in den Hauptstädten der neuen Länder hervor.
Rund 3.000 zusätzliche West-Beamte hält Sachsen-Anhalts Finanzminister Werner Münch (CDU) für erforderlich — und zwar durchschnittlich jeweils zwei für die 1.349 Gemeinden sowie 300 für die oberen und mittleren Landesbehörden. Ein Gesamtüberblick über die schon tätigen Westler fehlt.
Der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes des Landes, Malte Möller, spricht von „einem Bestand, den wir im Augenblick nicht übersehen“.
Im Finanzministerium in Magdeburg beispielsweise beträgt der „Westanteil“ mit 26 Personen knapp 20 Prozent. Im Sozialministerium kommen von 88 Mitarbeitern 22 Beamte und neun Angestellte aus dem Westen — ein Verhältnis, das der Ministeriumssprecher als „vernünftig“ bezeichnet.
Die Thüringer Regierung fordert eine Aufstockung der westlichen Verwaltungshilfe, mag ihren Wunsch aber nicht beziffern — denn die Zahl hänge davon ab, wer die Kosten übernehme. Jedenfalls reichten die bisher 266 Beamten nicht aus, sagt Regierungssprecher Michael Meinung. Von diesen sind allein 138 beim Innenministerium beschäftigt. Im Justizressort sind 26, im Landwirtschaftsministerium 25 und im Finanzministerium 20 Westhelfer im Einsatz.
Dagegen arbeiten im Kultusministerium nur 16 und im Wirtschaftsministerium zwölf Beamte aus dem Westen. Noch weniger entfallen auf die Ressorts Soziales (11) und Wissenschaft und Kunst (8).
Zurückhaltender ist man in Mecklenburg-Vorpommern. In der Staatskanzlei, wo von 77 Beschäftigten 21 aus westlichen Bundesländern kommen (meist aus Schleswig-Holstein), besteht erst einmal kein weiterer Bedarf an Westbeamten. Man will auf „Einheimische“ zurückgreifen. Auch im Landwirtschaftsministerium ist der Bedarf mit 21 „Wessis“ bei 120 Beschäftigten gedeckt.
Dagegen hätte man im Schweriner Wirtschaftsministerium, wo 28 der 190 Beschäftigten „Importe“ sind, gerne noch „ein paar“ Westler mehr. Genau ein Drittel der 66 Beamten im Schweriner Justizministerium kommt aus dem Westen — vier zusätzliche „Wessis“ stehen auf der Wunschliste. Im Finanzministerium (195 Beschäftigte, davon 22 aus dem Westen) möchte man um 45 Berater aus den alten Ländern verstärkt werden.
Im Land Brandenburg sind rund 1.000 Beamte aus Nordrhein-Westfalen tätig. Hinzu kommen einige Dutzend Beamten-Pendler aus Westberlin sowie einige abgeordnete Beamte aus dem Saarland. 300 bis 400 West-Beamte möchten die Potsdamer mit Hilfe vor allem der Düsseldorfer Kollegen noch bekommen. In diesen Tagen werden 50 Fachleute aus Nordrhein-Westfalen erwartet, die sich ausschließlich um Anträge auf Rückgabe von Grund und Boden oder Vermögen kümmern sollen.
Auch in Sachsen haben führende Politiker und Beamte der verschiedenen Ministerien wiederholt deutlich gemacht, daß die Zahl der West-Beamten noch nicht ausreiche. Wichtiger allerdings als die Zahl sei, daß es sich bei den Helfern um geeignete und qualifizierte Kräfte handele. 370 Beamte aus Bayern und Baden-Württemberg tun Dienst in den sächsischen Ministerien.
In Berlin ist alles anders. Hier wird Amtshilfe nur von Westberlinern und nicht von Beamten oder Behördenangestellten aus anderen Bundesländern geleistet. Die Berliner Senatsverwaltungen entsenden Mitarbeiter in ihre Dependancen in den Ostteil der Stadt — im Austausch kommen Mitarbeiter von dort, um auf den Sesseln der in den Osten Entsandten zu lernen, wie die Behörde im Westen arbeitet. Zahlen über diesen Austausch gibt es nicht, da die Verwaltungen ineinander aufgegangen seien.
Seit Anfang April gibt es eine „Personalbörse“, bei der sich Westberliner Behördenmitarbeiter, die in den Osten der Stadt gehen möchten, melden können. In den ersten zwei Wochen meldeten sich mehr als 800 „Wessis“.
Ihnen winkt bei Bewährung in der Ostberliner Verwaltung bevorzugte Beförderung. Anders als die Kollegen aus den alten Bundesländern können die Berliner aber nicht darauf hoffen, mit einem ansehnlichen steuerfreien Zuschlag für den Einsatz im Ostteil ihrer Stadt belohnt zu werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen