: Fortuna regiert im 37. Stock
■ Erstes Casino im Osten setzte elf Millionen Mark um/ 95.000 BesucherInnen im ersten Jahr am Alex/ Nervenkitzel gegen Ostpessimismus/ Geschäftsführer: »Wir verkaufen Unterhaltung«
Mitte. Seit einem Jahr lächelt Fortuna auch im Ostteil der Stadt. Nach 42 Jahren striktem Glücksspielverbot in der DDR ist sie mit dem Casino Berlin am 18. Mai 1990 in das 37. Stockwerk des Hotels Stadt Berlin eingezogen. Zumindest den Betreibern ist sie seither hold: »Die Akzeptanz für das Unternehmen nimmt stetig zu«, freut sich Geschäftsführer Karl- Heinz Bringer. Im ersten Jahr haben etwa 95.000 BesucherInnen ihr Bestes — in Worten: durchschnittlich 114 Mark — gegeben, um die Glücksgöttin auf ihre Seite zu ziehen. Auch die Stadt Berlin wurde von ihr bedacht, sie verdiente bisher immerhin acht Millionen Mark Steuern an dem Unternehmen.
Wer die Frage an Fortuna stellen will, kann das im »höchsten Casino Europas« an vier französischen Roulette- sowie an zwei Black-Jack-Tischen tun. Wem das noch nicht reicht, dem stehen auch noch 47 Automaten zur Verfügung. »Wir verstehen uns nicht allein als Anbieter von Spielen, sondern was wir verkaufen, ist Unterhaltung«, erläutert Wilfried Hollenberg, seines Zeichens sowohl Geschäftsführer der »Neuen Deutschen Spielcasino GmbH« als auch der »Westdeutsche Spielbanken GmbH«. »Die roaring twenties verlagern sich vielleicht ins Jahr 2000 oder 2010«, sinniert der Westmanager hoffnungsfroh. Für das nächste Jahr peilt er eine Verdreifachung des Umsatzes am Alexanderplatz an.
Bisher existiert die Betreiberfirma noch als Joint-venture, gegründet 1990. Der Ministerrat unter Modrow hatte der »Casino Berlin«, einer Interhotel-Tochter, die Etablierung eines Casinos nicht nur konzessiert, sondern sogar per Gesetz anbefohlen. Auf der Suche nach einem Partner stieß man auf die »Westdeutsche Spielbanken GmbH«, die schnell bereit war, die Ostfirma mit Know-how und den obligatorischen 49 Prozent Kapital zu versorgen. Jetzt will Westfirma auch die restlichen 51 Prozent von der Treuhand kaufen. Mitte des Jahres will das Casino in die Friedrichstraße umziehen.
Fortuna soll das Ihrige dazu tun, daß »hier in den neuen Bundesländern nicht immer so auf Pessimismus gemacht wird«, findet Hollenbach. Durch das Casino seien 100 neue Arbeitsplätze entstanden, vor allem für OstberlinerInnen. Die 15 Westdeutschen sollen die Seriosität der Spielbank gewährleisten und die neuen MitarbeiterInnen in eigenen Lehrgängen ausbilden, denn »den Beruf des Groupiers gab es in den neuen Ländern gar nicht«, so Bringer. Besonders angetan ist er von den Black- Jack-Damen, er ist sicher, »optisch eine ausgezeichnete Wahl getroffen zu haben«.
Natürlich ergießt sich das Füllhorn der Göttin auch über ihre JüngerInnen: »Im Dezember erleichterte uns ein Besucher binnen zwei Tagen um 200.000 Mark«, erzählt Spielbankdirektor Hans-Jürgen Strunck. Die maximalen Gewinnchancen können zwischen 500 Mark und 50.000 Mark betragen. Auf Einladung der Bank durften auch die JournalistInnen einige Spielchen wagen, aber Fortuna sorgte in dem Fall für das Wohl ihrer Verwalter. Corinna Raupach
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