: Millie Jackson
Es kursiert seit Jahren eine inoffizielle Boykottliste gegen Künstler, die in Südafrika auftraten. Ich habe das Flugblatt mal in New York bei einer Sängerin gesehen, kann mich nicht mehr an die Verfasser erinnern (irgendeine schwarz-amerikanische Gruppe), aber an einige der Namen, die darauf standen: Ray Charles, B.B. King, Champion Jack Dupree, Millie Jackson. »Oh, das Thema macht mich krank«, jammerte Millie in einem Interview für das schwarze Herrenmagazin »Players«, »ich hatte nämlich darauf bestanden, nur vor integriertem Publikum aufzutreten. Als ich mit meinen üblichen Raps loslegte, fingen die Behörden an, mich zu zensieren, wollten mir Titel aus dem Programm streichen. Darauf konterte ich mit meiner »Phuck U Symphony«. Künstler sind populär und kommen halt schneller ins Schußfeld der Kritik«, schlußfolgert Millie, die nun auch auf einer schwarzen Liste der weißen Kulturbonzen in Südafrika steht.
Der Song — er besteht nur aus zwei Worten — entstand ursprünglich aus purer Langeweile im Studio: »Ich blödelte einfach herum, sang »fuck you« vor mich hin. Alle lachten, und da beschloß ich, damit eine Platte zu machen. Ich wollte schon immer mal »fuck« auf 'ner Platte sagen! Mit den Streichern ging mir das dann ganz einfach über die Lippen. Jetzt kann icht einfach so »fuck« sagen, macht mir gar nichts mehr aus«, grinst sie.
Im Zusammenhang mit den sogenannten »four letter words« spricht sie von Apartheid-Radio, meint allerdings die US-amerikanischen Sender, die seit Jahren ihre Platten nicht spielen — auch wenn sie über Sex ohne das Wort »fuck« singt/spricht. »Ich machte auch wieder ein paar saubere Platten und eine Country-LP, aber niemand kaufte sie!« Leider sind mittlerweile oft im wahrsten Sinne des Wortes überhört, daß Millie Jckson nicht nur zotig über Zweier- und Dreierbeziehungen rappt, sondern eine der emotionalsten Soulsängerinnen ist, Aretha Franklin und Patti LaBelle eingeschlossen.
Millie, nicht verwandt mit irgendeinem anderen Jackson im Showgeschäft, war natürlich nicht die erste Sängerin, schwarz oder weiß, die von Gleichberechtigung in Bett und Gesellschaft sang, aber keine ist so unverblümt direkt, manchmal vulgär, unmißverständlich. »Mir wurde gesagt, Männer hassen mich, weil ich ihren Frauen erzähle, was ihre Partner falsch machen. Aber wir sind jetzt gleichberechtigte Bürgerinnen, früher waren wir nur Teil der Wohnungseinrichtung. Frauen haben auch sexuelle Bedürfnisse, ich würde den Männern nicht die Pimmel abschneiden. Ich will nur, daß sie Respekt haben. Aber«, fügt sie kichernd hinzu, »meine Fans wissen, daß nicht alles ernst gemeint ist. Ich kann über Frauen quatschen, dann über Männer, über Schwarze und Weiße, über die Nebenbuhlerin und die Haus- und Ehefrau, eben über beide Seiten.« Ja, also ein bißchen über sich selbst lachen muß man/frau schon können, sonst machen Millie und ihre verbalen Schweinereien keinen Spaß.Um 20 Uhr im Metropol. G.Hessig (Foto + Text)
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