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USA: Abtreibungs-Beratung verboten

Oberster Gerichtshof erklärt das Wort „Abtreibung“ in staatlich subventionierten Kliniken zum Tabu  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Der Oberste Gerichtshof der USA hat den mit Steuergeldern finanzierten Kliniken jetzt untersagt, bei der Familienberatung die Abtreibungsalternative auch nur zu erwähnen. Mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier Stimmen entschied das konservative Gericht am Freitag, daß der Staat mit seiner Finanzierung auch das Recht auf die Inhalte der Familienplanung einkauft.

Die Zensur der ärztlichen Beratung wird vor allem die vier Millionen ärmeren Frauen — ein Drittel von ihnen Teenager — treffen, die jährlich in ihrer Schwangerschaft eine der 4.000 subventionierten Kliniken zur Familienplanung aufsuchen. Das Urteil könnte sogar in anderen staatlich subventionierten gesellschaftlichen Bereichen wie in der Kunstförderung zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen.

Abtreibungsgegner feierten das Urteil als „Sieg nicht nur für die Steuerzahler, die ihre Dollars nicht zur Finanzierung von Abtreibungen eingesetzt haben wollen, sondern auch für das ungeborene Leben“, wie es die Organisation „Americans United for Life“ formulierte. Die Kliniken der Familienberatungs-Organisation „Planned Parenthood“ diskutieren unterdessen, in Zukunft auf die Staatsgelder aus Washington zu verzichten, um auch weiter eine unabhängige Familienberatung zu gewährleisten. Viele Kliniken werden sich einen solchen Einkommensverzicht jedoch wegen der drastischen Kürzungen in den Haushalten der Bundesstaaten nicht leisten können.

Mit dem umstrittenen Urteil, das lediglich die Interpretation von Verhaltensregeln für die Kliniken aus der Reagan-Ära klarstellt, ist die Abtreibungsfrage plötzlich wieder zu einem nationalen politischen Thema geworden, das auch den Präsidentschaftswahlkampf von 1992 beinflussen könnte. Nach einem Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofes aus dem vergangenen Jahr, das den Bundesstaaten eine partielle Einschränkung der grundsätzlichen, seit 1973 geltenden Abtreibungsfreiheit erlaubte, waren die Abtreibungsstatuten in einigen Bundesländern verschärft worden, ohne daß dies nationale Aufmerksamkeit erregt hätte. Dies war vor allem den Republikanern recht, die bei einem Wahlkampfthema Abtreibung um die Stimmen der abtreibungsbefürwortenden, aber sonst konservativen Frauen in den Vorstädten der Mittelklasse fürchten müssen.

Mit dem Urteil vom Freitag hat sich nun der politische Druck auf den Kongreß erhöht, die Zensur im ärztlichen Beratungszimmer durch ein neues Gesetz wieder außer Kraft zu setzen. Am Ende könnten es sogar die BefürworterInnen der Abtreibungsfreiheit sein, die von der erneuten Politisierung der Debatte durch solche Urteile des konservativen Gerichts an Unterstützung gewinnen.

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