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ABGEWICKELT  ■  ABSCHIED VOM HDJT UND VON JANINA SCHREIBER

Noch sitzt Janina Schreiber am Schreibtisch im Haus der jungen Talente. Neben ihr eine uralte Schreibmaschine, vor ihr zwei Telefone. »Der eine Apparat gehörte meiner Kollegin«, sagt sie, »doch die ist schon seit Dezember nicht mehr da«. Janina zählt zu den letzten der HdjT-Crew, die noch für diese Woche das Programm zusammenstellen und dann ebenfalls ihren Arbeitsplatz verlieren. Trotz ihrer nahenden Abwicklung ist sie routiniert wie immer.

Im September 89 wurde Janina für die politischen Veranstaltungen eingestellt. »Damals war eine einmalige Zeit«, sagt sie, »die Leute hatten einen enormen Nachholebedarf am Reden«. Heute kommen manchmal nur drei BesucherInnen. Einschnitte gab es nach der Maueröffnung und der Volkskammerwahl. »Da«, meint Janina, »haben viele wieder ihre Hoffnungen verloren«.

Janina selbst hielt an ihren Ideen fest und betreute das widerständlerische café satz, das AusländerInnen-café farbig und das café rosa für Lesben und Schwule. Massenkultur sei nicht ihre Aufgabe, betont sie und prägte damit das Image des HdjTs als links-alternative Oase inmitten des künftigen Regierungsviertels.

Allein der Senat sieht die weitere Aufgabe des HdjTs mehr in der Förderung junger Pianisten als in der Diskussion mit Hausbesetzern. Den Widerspruch, als Staatsbedienstete oppositionelle Veranstaltungen zu organisieren, bekam Janina damit nicht zu Zeiten der DDR, sondern erst unter einem freigewähltem Senat zu spüren.

Ob jedoch die Abwicklung des HdjTs weiterhin reibungslos verläuft, entscheiden Gerichte. Als einzige Mitarbeiterin klagt Janina Schreiber gegen ihre Kündigung und beruft sich dabei auf das Urteil des Verfassungsgerichts, das eine Abwicklung beim Erhalt einer Einrichtung nicht zuläßt. Den vom Senat versprochenen fließenden Übergang in ein neues HdjT wird es allerdings nicht geben. Um den Bruch zur »Schmuddelkinder«-Kultur zu betonen, wie Janina vermutet, wird das Haus am 15. Juni erst einmal dicht gemacht. Diese Pause sei nötig, um die Toiletten zu modernisieren, meint dagegen HdjT-Direktor Faustmann. Im Herbst würden viele Mitarbeiter wieder eingestellt, sagt er, es fehle nur noch das grüne Licht des Finanzsenators.

An diese Versprechungen mag Janina nicht mehr glauben und verabschiedet sich. Im letzten café farbig am Donnerstag erinnert sie an die Szene, die das HdjT zu DDR-Zeiten prägte: Christoph Dieckmann liest aus seinem Buch »My Generation« über die Auftritte von Bob Dylan und Joe Cocker in der DDR. Eine brutalere Version des staatlichen Engagements gegen unbequeme Kulturansätze zeigt das letzte café satz am Mittwoch mit dem Schweizer Dokfilm über »Dani, Michi, Renato und Max«, die bei der Räumung eines besetzten Kulturzentrums von der Polizei erschossen wurden.

Ihren ganz persönlichen Abschied feiert Janina aber heute abend im lesbisch- schwulen café rosa, aus dem heraus Freundschaften mit Stammgästen entstanden. Um ihnen gerecht zu werden, kramt Janina ihre Lieblingstexte und -bilder »von und über den Mann« hervor. »Ich möchte den Leuten auch mal etwas von mir als Hetera zeigen«.

Nicht die Abwicklung an sich, sondern allein dieses »Bekenntnis« scheint Janina aus der Routine zu bringen. Zum ersten und letzten Mal in knapp zwei Jahren am HdjT ist sie vor einer Veranstaltung aufgeregt. Micha Schulze

CAFEROSAUM19UHR,KLOSTERSTR.68-70,1020

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