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Kühler Kopf, heiße Beine

■ Abschluß der italienischen Fußballmeisterschaft: Juventus Turin am Boden, Genua im Freudentaumel

Berlin (taz) — Eine Woche lang prangten an allen Ecken und Enden Genuas die blauen Farben von Sampdoria, dem Verein, der seit dem letzten Sonntag erstmals in seiner Geschichte als italienischer Fußballmeister 1991 feststeht. Vor dem Wochenende änderte sich jedoch schlagartig das Bild. Blau-rot war nun angesagt, die Farben des FC Genua, der mit Juventus Turin um den ersten UEFA-Cup-Platz seiner Vereinsgeschichte focht. Arrigo Sacchi, Trainer des AC Milan, hatte dem Genueser Team um den Uruguayer „Pato“ Aguilera und den Tschechoslowaken Skuhravy mit einem boshaften Seitenhieb auf Sampdoria bescheinigt, in dieser Saison den besten Fußball von allen gespielt zu haben, doch noch war die ersehnte Qualifikation für den europäischen Wettbewerb nicht unter Dach und Fach.

„Wir haben keine Angst vor Genua“, hatte Turins Torwart Tacconi vor der Partie großmundig getönt, „denn wir sind Juve!“ Doch vor Juve hatte in dieser Saison erst recht niemand Angst. „Eine Mannschaft für Europa“, titelte ein Genueser Blatt optimistisch, und so war es denn auch. Der FC gewann mit 2:0 und stürzte Juventus in einen neuerlichen Abgrund. „Es ist der traurigste Tag in meinem Sportlerleben“, sagte Thomas Häßler, der in der 49. Minute ausgewechselt wurde. Nach dem Ausscheiden gegen Barcelona im Halbfinale des Europacups und dem Rauswurf im italienischen Pokal mußte nun auch die letzte Hoffnung des mit millionenschweren Stars gespickten Teams auf einen Platz im Europacup begraben werden.

Da verwundert es kaum noch, daß fast zur selben Zeit Antonio Caliendo, berühmter Spielervermittler und Berater der Juve-Spieler Baggio und Schillaci wegen Urkundenfälschung verhaftet wurde.

Möglicherweise wird sich Juves neuer Trainer Giovanni Trapattoni nun doch ein wenig ärgern, denn mit seinem bisherigen Verein Inter hätte er komfortabel im UEFA- Cup mitspielen dürfen, schließlich haben die Mailänder ihn ja letzte Woche gewonnen. Inter verabschiedete sich standesgemäß mit einem 2:0 beim Absteiger US Lecce, wobei Matthäus, der erneut von seinem letzten Spiel für Inter sprach (er will zu Real Madrid), in der Schlußminute das letzte Tor der Saison gelang. Trotzdem mußte Inter mit dem dritten Rang vorliebnehmen, davor landete dank des besseren Torverhältnisses Lokalrivale AC. Da die niederländisch-italienische Coproduktion des scheidenden Sacchi aber von der UEFA für ein Jahr gesperrt ist, werden im nächsten UEFA-Cup neben Inter und Genua der AC Turin und AC Parma mitkicken. Absteigen müssen außer Lecce noch Pisa, Cesena und Bologna.

Der Gewinner des begehrten „Scudetto“, der Meistertrophäe, verabschiedete sich in Rom mit vielen Toren. Gegen Lazio wurde 3:3 gespielt, so viele Gegentore hatte Sampdoria in dieser Saison selten kassiert. Einer der vielen Schlüssel zum Erfolg, von denen der redegewaltige Trainer Vujadin Boskov noch eine ganze Menge hervorzusprudeln weiß. „In der Rückrunde sind wir ungeschlagen und wir haben alle unsere direkten Rivalen im Hinspiel und im Rückspiel besiegt. Das war's.“ Nur dreimal hat Sampdoria überhaupt verloren, auswärts bloß einmal. Garant des Triumphes war vor allem der raffinierteste Sturm der Liga. 57 Tore hat Samp erzielt, eins mehr als Inter. Allein das Angriffsduo Vialli-Mancini steuerte 31 Tore bei, und Vialli wurde mit 19 Treffern Torschützenkönig.

Im Gegensatz zu Inter, Milan oder Napoli setzten die Genueser vor allem auf italienische Spielkunst. Die drei Ausländer Katanec, Michailitschenko und Cerezo (Boskov: „Kühler Kopf, heiße Beine.“) gehören keineswegs zu den Superstars der Liga. Gianluca Vialli hat eine schlüssige Erklärung, warum gerade die Italiener hochmotiviert waren: das WM-Debakel. „Die Enttäuschung, der Wille zur Wiedergutmachung, den wir im Nationaltrikot angesammelt haben, das war unsere Stärke.“ Und Boskov fügt hinzu: „Ich schwöre bei meiner rechten Hand, diese Burschen haben nicht an Geld oder Prämien gedacht, sie wollten nur den scudetto.“ Matti

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