: Finanzskandal um Polens Auslandsschulden
Regierung versuchte heimlich, Schuldentitel auf dem spekulativen Markt zurückzukaufen/ Dubiose Vermittler in der Schweiz ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
Polen hat in den letzten zwei Jahren versucht, über dubiose Vermittler heimlich einen Teil seiner Auslandsschulden zurückzukaufen — und damit gegen das internationale Finanzrecht und internationale Vertragsverpflichtungen verstoßen. Das hat die polnische Wochenzeitung 'Spotkania‘ jüngst enthüllt.
Die Affäre kam ans Tageslicht, als nach einem Regierungsbeschluß der „Fonds zur Bedienung der Auslandsschulden“ aufgelöst wurde. Dabei erwies sich, daß der Fonds bisher nicht nur äußerst dilettantisch und ohne korrekte Buchhaltung geführt worden war, sondern auch dubiosen Geschäftemachern zur Selbstbedienung gedient hatte. So hatte die Regierung aus dem Fonds Kredite gewährt, die von Firmen nie zurückgezahlt worden sind. Beispielsweise soll die Avalo GmbH dem Fonds immer noch 11 Milliarden Zloty (knapp 2 Millionen DM) schulden. Pikant ist das, weil Avalo nicht eine beliebige Privatfirma ist: Das Unternehmen handelt auf internationaler Ebene mit Waffen und war bereits öfter Gegenstand von Anfragen im Parlament. Aber nicht nur Kreditnehmer, sondern auch die Vermittler der Rückkaufaktion sollen kräftig an Polens Schulden verdient haben. Die Zeitschrift nennt hier einen „F. Torunczyk“ in der Schweiz, der Koordinator der illegalen Aktion gewesen sein soll. Er habe polnische Schuldentitel zum Preis von 32 bis 33 Cents pro Schuldendollar — mit dem Geld aus dem Fonds — zurückgekauft. Auf dem Weltmarkt wurden die polnischen Schulden zur Zeit des Kaufs allerdings für nicht mehr als 18 bis 19 Cents pro Dollar gehandelt. Erst nach dem jüngsten Schuldenerlaß des Pariser Clubs der reichen Gläubigerländer stieg der Preis für polnische Schuldentitel wieder. Offen bleibe aufgrund des lückenhaften Beweismaterials, wohin der Gewinn aus der Aktion geflossen ist.
Den letzten Schuldentitel hat Polen über den Fonds laut 'Spotkania‘ im Januar dieses Jahres zurückgekauft. Gekauft wurden bis dahin Schuldentitel des Londoner Klubs, also Schulden bei kommerziellen Banken, im Wert von insgesamt 160 bis 281 Millionen Dollar. Die genaue Summe lasse sich nicht feststellen. Polens Schulden bei den Banken belaufen sich zur Zeit auf rund zwölf Milliarden Dollar. Über einen Schuldenerlaß oder eine Umstrukturierung wird zur Zeit verhandelt.
Polens Regierung möchte die Enthüllungen einstweilen weder bestätigen noch dementieren. „Die Regierung untersucht die Angelegenheit“, sagte ein Regierungssprecher zur taz. Unterdessen hat die Zeitung der Sozialdemokraten, 'Trybuna‘, die Enthüllung heftig als „schädliches Anschwärzen unseres Landes“ kritisiert, zugleich aber zugegeben, daß die Affäre bekannt gewesen sei.
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