piwik no script img

Alle Tage schöne Tage

■ William Shakespeares »Was ihr wollt« im Maxim-Gorki-Theater

Nur von Frauen gespielt wird Shakespeares Komödie Was ihr wollt am Donnerstag im Maxim-Gorki-Theater, raunte die 'Berliner Zeitung‘ schon am Dienstag und überschrieb ihre Vorankündigung mit »Shakespeare und die Emanzipation«. Ein geradezu hämischer Zungenschlag, werden doch die Frauen von den Hintermännern Martin Meltke und Manfred Möckel inszeniert und dramatisiert. Letzterer erklärt denn auch im Programmheft den Grund für die Frauenvollversammlung: Die Verwirrung der Geschlechter, die bei Shakespeare durch einmalige Vortäuschung eines Mannes, hinter dem sich ein Mädchen verbirgt, ausgelöst wird, soll in der Inszenierung, die »den kleinen Unterschied beiseite läßt«, einer größeren weichen: »der Suche nach der eigenen Identität und der des anderen als Mirakel der Gefühlsverwirrung«. Illyrien, Shakespeares Ort der Liebes- und Selbsttäuschung, wird zum Ort »aktueller Befindlichkeit«.

Sieht man im gedanklichen Vollzug des Nebenwiderspruchs gnädig davon ab, Überlegungen anzustellen, warum eigentlich die massive Bühnenpräsenz von Frauen mit höheren Inszenierungsweihen gerechtfertigt werden muß (oder hatte man wirklich wieder mal viel zu viele Schauspielerinnen übrig), bleibt doch die Frage nach dem Effekt der Anstrengung, Shakespeares Täuschungsmanöver, die Grundlage aller komischen Verwicklungen, zum Operettenprinzip der Hosenrolle auszuhöhlen.

Wenn der Mann Cesario, der eigentlich die Frau Viola ist, sich in den Mann Orsino, der aber hier eigentlich eine Frau ist, verliebt, folgt nicht mit zwingender Logik, daß Orsino Cesario erst erhören kann, wenn er zur Viola wird. Soll denn nicht, sprach der Dramaturg, der »kleine Unterschied« beiseite gelassen werden? Und wie soll Shakespeares wahrhaftig emanzipatorische Idee, daß der Graf Orsino, der von unerfüllter Liebe träumt, in Wahrheit längst und ohne optische Gewißheit ums kompatible Geschlecht sein Herz vergeben hat, von witzwegen übertrumpft werden? Komik kann doch dann nur in der Persiflage von Männlichkeit liegen: Viola wird, langbeinig, kurzröckig, stöckelschuhtragend von ihrem Freier zur Frau gemacht, mit einem gutmütigen Klaps auf den Po.

Nicht daß die Spielerinnen keine guten Männer gäben, vielleicht sogar die besseren. Aber sollen sie uns, das Publikum, denn geschlechtsverleugnend täuschen? Im Bühnenbild von Änn Schwerdtle, einem Altbau- Durchgangszimmer mit abgeblättertem, fahlgelbem Putz, zwischen Ausguß, Alkglas und Kühlschrankfossil, macht besonders Anne-Else Paetzold als lustig-trunkener Herr Tobi Rülps eine sympathische Figur. Er und die rundherum sinnenfrohe Haushälterin Maria (Ursula Werner) stürzen als lebenslustiges und weises Gespann den eitlen Malvolio in tiefste Liebesverzweiflung. Auch hier setzt die Inszenierung eins drauf: Malvolio (Ruth Reinecke), der sich von seiner Herrin angebetet glaubt, wandelt sich vom stasinahen Aktentaschentreuhänder (»Ich zeige Sie alle an!«) zum Jungmanager in Patchwork-Jeans.

Solcherlei Anbiederungen an die aktuelle Befindlichkeit werden allerdings vom über die Jahre konzentrierten Charme eines Narrs in Gestalt von Lotte Loebinger um Längen geschlagen. Nur mit einer Kappe mit vorwitziger Feder versehen, strolcht mit ihr eine von vielen obdachlosen Alten durch die Szene. Das Einkaufswägelchen im Gepäck, befindet sie über modische Trends (»...das ist nicht in meinem Gesichtsfeld ... ich könnte auch Horizont sagen, aber dieses Wort ist ... zu abgegriffen ... zu abgegriffen.«) und freut sich, wenn sie guterhaltene Lumpen findet — »Schöner Tag« — und das klingt nicht ironisch. Mit ihr wird der Abstand zum Publikum lässig übersprungen. Ein bißchen traurig wirkt die ganze, angegilbte Szenerie und leise komisch wie eine aufpolierte Miniatur, wo mehr gelächelt als gelacht wird. Nicht was ihr wollt, scheint ihre Botschaft, sondern was ihr habt. Dorothee Hackenberg

Was ihr wollt im Maxim-Gorki- Theater in der Übersetzung von B.K. Tragelehn. Regie: Martin Meltke, Bühne: Änn Schwerdtle, Musik: Ute Falkenau, mit Swetlana Schönfeld, Anne-Else Paetzold, Lotte Loebinger u.a.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen