piwik no script img

Kultur für Köpfe

■ Begegnungen kaum glaublicher Artauf dem kleinen Podium im taz-Zelt

Die Leute, bevor sie ins Zelt treten, blinzeln. Was's das? Wer? Ein Drachenbauer? Sitzt auf'm Podium, erzählt, hat Zeit dazu. Ein Redakteur als Nach-und Nachfrager. Bald weiß man, warum ein Drachen fliegt (Unterdrucksog hinterrücks!) und warum ein Drachenbauer immer unten bleibt. Kann man beruhigt spachteln gehn um die Ecke.

Wenn die Leute zurück kommen, blinzeln sie wieder. Ein Musikcomputer in der Ecke tut sein letztes Quak, da sitzen schon dreie auf der Bühne und streiten und raufen sich die Haare vom Kopf. Erwin Koch-Raphael, Bremer Komponist, gegen Kurt Seibert, Bremer Professor. Die taz

stellt Mikrophone und das Ringgericht.

Oder, am Anfang, eine gesprächige Space-Band von der Independent-Night nebenan. Oder dann elektronische Musiker mit Piep-Spielzeug dabei. Reden über fortgeschrittene Technologie für Musikanten, zwischendrin bißchen Sample-Trickserei. Das taz-Zelt ist, zeigt sich, für allerhand Leute das Gehege, in das man miteinander kommt, und mit Vergnügen.

Aus dem Publikum melden sich Fragensteller, Zwischenruferinnen, Besitzer anderer Meinungen. Sie schließen die Schaltkreise der öffentlichen Kommunikation, denen anderswo der Strom auszugehen droht. Ringsum auf den Osterwiesen verlautbart sich die Kultur; da ist das taz-Zelt eine freundliche kleine Insel: aber mit dem größten Umschlaghafen für Ideen. Streunende Passanten finden sich unversehens in einer Wechselstube, wo teuer gewordene Meinungen über den Tisch gehen.

Die elektronischen Musizi sind froh, daß sie mit ihren köstlichen Maschinchen unter die Leute kommen. An einem kann, wer Knöppe drückt, Bachgluckern und Tütüt aus den Tiefen des Speichers locken oder den Synthi niesen machen. Das gefällt den Leuten nicht übel. Vielleicht ist überhaupt angetan, wer mit Produzenten zu tun kriegt statt immer bloß mit Produkten. Später die zwei Streithähne bekennen zwischen Hick und Hack, sie hätten ja eigentlich sich schon jahrelang nicht mehr getroffen. Jetzt doch, da geht ein Lachen durch das Zelt. Da wird auf der Bühne, merken die Leute, das Schwerste ausgetragen, der Streit, womöglich an Zuhörers Statt.

Abends wird es eng. Zwei Podien en suite. Thema: Werbung und was sonst Waren und Menschen bewegt. Die Besetzung: renommierte Streitorchester aus Ersten und Zweiten Geigen, eine von Krupp-Atlas (PR) darunter und ein Straßenbahn-Marketing- Chef und Werbeprofis und ein echter Pfiff von Friseur. Um vier Uhr morgens talken immer noch, die letzten Aufrechten der Firma. Daß bloß das Reden nicht aufhört. Manfred Dworschak

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen