: Amerikanische Nahost-Politik am Scheideweg
US-Friedensinitiative bisher erfolglos/ „Donnerwetter“ des Präsidenten gefordert/ Voraussetzung wäre jedoch: Engagement ■ Aus Washington Rolf Paasch
Nach der bisher erfolglosen amerikanischen Friedensinitiative steht die Nahost-Politik der Bush-Administration am Scheidewege.
George Bush kann die amerikanische Friedensdiplomatie in den nächsten Wochen sanft einschlafen lassen und die Schuld am Scheitern den nicht kompromißbereiten Parteien in Damaskus und Jerusalem zuschieben. Er kann seinen Außenminister James Baker zum nächsten Trip an den Golf schicken, um Syrer und Israelis zum x-ten Male zu größerer Flexibilität zu mahnen. Oder er kann die Zügel der bisher so richtungslosen diplomatischen Kutsche endlich selbst in die Hand nehmen, um beiden Seiten im israelisch-arabischen Konflikt zu zeigen, wo es demnächst unter amerikanischer Führung langgehen wird. Zum ersten Mal seit Ende des Golfkrieges wird im Weißen Haus über letztere Alternative jetzt zumindest ernsthaft nachgedacht.
Schon länger hatten verschiedene arabische Botschafter den US-Präsidenten gedrängt, sein nicht unerhebliches persönliches Prestige zur Überwindung der festgefahrenen Friedensverhandlungen einzusetzen. Außenminister James Baker, so auch amerikanische Kritiker, halte sich allzusehr an Verfahrensfragen auf, statt die zerstrittenen Parteien zu einer inhaltlichen Diskussion zu nötigen. Um den Verhandlungsprozeß wirklich in Gang zu bringen, schreibt 'New York Times‘-Kolumnist Leslie Gelb, „bedarf es keiner kleinen Schritte, sondern eines Donnerwetters von Mr. Bush“.
Bereits im Mai hatte James Zogby als Sprecher einer Koalition von arabisch-amerikanischen Gruppen in den Vereinigten Staaten der Bush- Administration ein „strategisches Friedenspaket“ vorgeschlagen, in dem das Abtreten der besetzten Gebiete durch Israel an verbindliche internationale Sicherheitsgarantien für den jüdischen Staat gekoppelt würde.
„Die USA sollten harte und klare Forderungen nach einem Wandel in der israelischen Politik stellen“, so forderte auch das Magazin der linksliberalen US-Juden, 'Tikkun‘, „und diese Forderungen dann mit dem Angebot eines eindeutigen und hundertprozentigen gegenseitigen Verteidigungsabkommen verbinden.“
Doch bisher hat die Bush-Administration darauf verzichtet herauszufinden, was ihre neue Autorität als Sieger und Helfer im Krieg gegen Saddam wirklich wert ist. James Bakers Äußerung, daß den Parteien der Frieden auch von den USA nicht aufgezwungen werden könne, gilt immer noch als Maxime der US-Politik.
Erst die erneute Ablehnung des letzten US-Kompromißvorschlags zur Gestaltung der umstrittenen Friedenskonferenz durch Premierminister Schamir Ende letzter Woche hat nun im Weißen Haus zur internen Debatte über zwei neue Szenarios geführt: die Vorladung der arabischen und israelischen Führungen zu einer Friedenskonferenz nach London oder die gemeinsame Ausrichtung einer Friedenskonferenz durch die USA und die Sowjetunion in Kairo. In beiden Fällen könnten die nicht Erscheinenden mit einer Kürzung der Finanz- und Waffenhilfe bestraft werden.
Ob sich George Bush jedoch am Ende zu einem solch drastischen und persönlichen Eingriff in die Friedensverhandlungen entscheiden wird, bleibt fraglich. Zu hoch erschien ihm bisher das politische Risiko, am Ende für das Scheitern einer solchen Konferenz verantwortlich gemacht zu werden; eine Angst, die sich angesichts des bald beginnenden Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahlen von 1992 eher noch verstärken dürfte.
Und auch die neue geopolitische Lage am Golf spricht eher gegen ein persönliches Engagement des US- Präsidenten in dem Friedensprozeß zwischen Arabern und Israelis. „Gerade heute läßt sich kaum noch argumentieren“, so Martin Indyk vom „Washington Institute for Near East Policy“, daß Amerikas strategische Interessen durch ein Scheitern des Friedensprozesses gefährdet würden.
Das von vielen geforderte „Donnerwetter“ durch den Präsidenten würde ein selbstloses Engagement und eine Vision des George Bush voraussetzen, die er bisher in kaum einem Politikbereich gezeigt hat, geschweige denn im Nahen Osten.
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