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Mit 1.000 Quadratmetern um die Kanarischen Inseln

■ Baden nur zwischen Delphinen und Hammerhaien

Wer hat sich durch Bücher und Filme wie „Moby Dick“ und „Der Seewolf“ nicht schon einmal für das Leben auf einem Rahsegler faszinieren lassen. Beim Träumen muß es dabei für niemanden bleiben: Die Bremerhavener Bark „Alexander von Humboldt“ bietet für ihren gesamten Wintertörnplan Plätze für Mitsegler jeden Alters an.

Dabei geht es nicht um einen reinen Erholungsurlaub an den Gestaden der Kanarischen Inseln. Jeder einzelne muß sich an Bord voll einsetzen, um den Dreimaster unter Segeln zu halten. 25 grüne Segel mit einer Fläche von über 1.000 Quadratmetern wollen durch ein Gewirr von Tauen gesetzt und eingeholt werden.

Alle zwei Wochen übernimmt die „Alex“ im Hafen der Hauptstadt der Kanarischen Inseln, Las Palmas, frische Segeltrainies an Bord. Oft sind ein Drittel davon Frauen. Erste Erläuterungen zum Bordleben werden gegeben, die Sicherheitsgurte werden verteilt. „Sicherheit,“ erklärt Kapitän Lickfett,“ist auf dem Schiff das oberste Gebot.“ Ohne Gurt darf niemend ins Rigg, bei schwerer See hakt sich jeder dann und wann auf Nummer sicher ein. Die über 40 neuen Leute werden in Vortopp- ,Großtopp- und Besanwache eingeteilt. Zu jeder Wache gehört ein Steuermann, der ausgebildeter Nautiker ist, eine ToppmatrosIn und mehrere MatrosInnen der Stammbesatzung. Diese alten Hasen zeigen den Frischlingen schnell, welche Taue bei den einzelnen Segelmanöver wie gehandhabt werden müssen.

Niemand wird zum Aufstieg in die Rahen gezwungen, aber kaum jemand läßt es sich entgehen. Schon nach einigen Tagen hört das planlose Durcheinander auf und weicht einem planvollen Durcheinander.

Delpine tauchen auf der Fahrt immer wieder am Schiff auf, springen spielend übereinander, tauchen unter das Schiff, um so plötzlich, wie sie auftauchten, auch wieder zu verschwinden. Nachts treffen sich die Wacheschiebenden beim Steuerhaus, der Steuermann erklärt ihnen Sternbilder und bringt Ordnung in das glitzernde Sternenmeer, das so wohl nur auf See zu sehen ist. Wer Interesse an den Grundlagen der Navigation hat, der trifft bei den Nautikern des Schiffes auf offenen Ohren. Auf der Ankerwache lernt man mit der Kompaßpeilung zurechtzukommen, die Ankerkette zu überprüfen und Feuergänge durch die Bark zu machen.

Schlaf bedeutet auf der „Alexander von Humboldt“ Luxus, und den gibt es nur sehr begrenzt. Die drei Wachen lösen sich alle vier Stunden ab, dazu ist aber die Anwesenheit aller an Deck bei sogenannten „all hands“-Manövern erforderlich. Wasser kann nur begrenzt mitgenommen werden, also fällt auch das tägliche Duschen aus. Auf See fährt das Schiff meistenteils unter Verschlußzustand, das bedeutet, das sämtliche Luken und Lüftungsöffnungen geschlossen sein müssen: In den Achterkabinenstinkt es bald wie im Raubtierkäfig.

Wen die Seekrankheit gepackt hat, der freut sich immer ganz besonders auf die Landgänge, bei denen Ausflüge auf die Inseln, Strandleben oder Cafe-und Kneipenbummel angesagt sind. Während der wenigen Bademöglichkeiten, die sich auf dem Schiff bieten, wird immer wieder vor den Hammerhaien gewarnt — wodurch sich bei manchen die Wasserscheu erklären läßt.

Fuerteventura, Gran Canaria, Teneriffa, La Gomera und La Palma sind die klangvollen Namen der Inseln, die man alle auf einem Törn abgeklappern kann. Für das Programm braucht man als Pauschalreisender eher mehrere Jahre. Dazu kommt eine Menge neugewonnener Erfahrung und Freundschaften, wie sie im intensiven Zusammenleben und dem aufeinander Angewiesensein an Bord eines Seglers entstehen. Manch einer schreckt auch noch zu Hause nach vier Stunden aus dem Schlaf und glaubt einen Ruf gehört zu haben:“ All Hands an Deck!“ V.K.

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