: Das gute Frühstück
■ Kleiner Ratgeber für künftige Wirte von Frühstückscafes und Bistros, hrgs. vom Berliner Zentralverband der Frühstücksgastronomiekritiker unter Federführung von Thomas Kuppinger
Kleiner Ratgeber für künftige Wirte
von Frühstückscafés und Bistros,
hrsg. vom Berliner Zentralverband der Frühstücksgastronomiekritiker unter Federführung von THOMAS KUPPINGER
Eier
—Frühstückseier werden in Berlin stets kalt serviert. Ideale Kochzeit für ein weiches Ei: 12 Minuten. Ungeahnte Härtegrade erzielen Sie durch ein Spezialrezept vom oberen Ku'damm: Eier schon am Vorabend kochen und anderntags in der Mikrowelle aufwärmen. Kalt servieren.
—Achtung: Größere Eier wirken obszön, solche von freilaufenden Hühnern entbehren in der Regel des pikanten Fischmehlgeschmacks.
— Eierlöffel kann, muß aber nicht sein. Kaffeeumrührlöffel reicht auch!
—Lokalitäten im Bereich von Bannmeilen, CDU- und Juso-Zentralen sowie im gesamten Gebiet des ehemaligen Ost-Berlin servieren grundsätzlich nur Rührei. So kommen Sie als Wirt nicht mit dem Waffenhandelsgesetz in Konflikt!
Kaffee und Tee
—Frühstück grundsätzlich auf der Karte nicht zusammen mit Kaffee/ Tee anbieten. Die Berliner frühstücken in der Regel ohne zu trinken.
—Kaffee vor dem Servieren abkühlen. Teebeutel genau 13 1/2 Minuten ziehen lassen. Ein leckeres Resultat erzielen Sie auch, wenn Sie Teebeutel frisch zu handwarmem Wasser kredenzen.
—Kaffee stets zunächst „schwarz“ servieren. Rufe nach dem Milchkännchen nicht schon beim dritten oder vierten Mal beantworten. Das wirkt aufdringlich!
English Breakfast
—Corn Flakes schon vor Öffnung des Cafés gut in H-Milch einweichen, sonst werden sie nicht richtig durchgefeuchtet.
—Toast reicht man in Deutschland kalt.
—Bacon 'n' Eggs in einer Pfanne zu einer geschlossenen Fläche verbacken. Unterseite gut schwarz braten, dann schmeckt's richtig. Geheimtip: Schwarte am Speck lassen!
Baguette
—Baguettes sind mega-in. Faustregel: viel gut abgehangener Kopfsalat (nicht waschen, wegen der Nährstoffe!), viel Zwiebel, feuchte, überreife Tomaten und dazu sparsam mit Schinken und Käse umgehen.
—Baguette niemals knusprig toasten.
— Niemals Baguette mit Besteck, Servietten oder in Teile geschnitten reichen. Gäste jeglichen Geschlechts lieben das urtümliche, orale Phalluserlebnis.
—Besonders lustig ist es mit viel, viel Mayonnaise: Dann spritzt's und kleckert's so fröhlich.
Presse
—Zeitungen gehören zum guten Frühstück. Besonders lustvoll wird die Lektüre, wenn Sie die Blätter mischen: Also taz-Kommentare in den Morgenpost-Sport, Tagesspiegel- Feuilleton in den Neuköllner Anzeiger, FAZ-Börse ins ND usw, usf. ...
—Besonders gute Lokale legen Ausgaben der Vorwoche aus: So bekommen die Gäste am frühen Morgen bewährte und bekannte Nachrichten und werden nicht schon mit Neuem genervt.
Das Auge ißt mit
—In Berlin wird üppig garniert: einzelne Kressehälmchen, Gummibärchen, Eiskonfekthütchen, Radiccioblättchenstreifchen werden neckisch über die Frühstücksteller gestreut. So sieht auch ältere Aldi- Wurst mit dunkelroten Rändern oder ausgetrockneter Käse appetitlich aus.
—Kleine fröhliche Lippenstiftreste an Gläsern und Tassen versetzen Ihre Gäste schon am frühen Morgen in erotische Stimmungen!
Hygiene
—Spitzengastronomie serviert möglichst kein offenes Essen: Keime! Kaffeesahne, Leberwurst, Marmelade, Zucker, Honig, Käsescheiben, Salz, Pfeffer, Kommiß- und Knäckebrot — alles, was zu einem guten Frühstück gehört, gibt es in kleinen Einzelpackungen aus Alu, eingeschweißt oder in Tütchen. Den Gästen macht das lustige Aufreißen Spaß — und schon beim Servieren klappert es wunderschön auf dem Teller!
Service
—Berlin ist eine stressige Stadt. Lassen Sie den Gast erst zur Ruhe kommen. Nicht schon in den ersten 20 Minuten mit Fragen nach Bestellungen nerven.
—Paaren nie zugleich Frühstück bringen. Merke: Erst die Dame, dann der Herr, Alter vor Jugend.
—Mehr als eine Bedienung je 20 Tische erzeugt nur Unruhe im Laden.
—Geld am Tisch, das gehört sich nicht! Wenn auch Ihre Gäste dies kapiert haben und schließlich an den Tresen kommen, dann lassen Sie sie erst einmal verschnaufen.
—Gute Bedienungen sorgen mit amüsanten kleinen Rechenfehlern für Abwechslung auf den Rechnungen. Als Wirt können Sie so auch am Stundenlohn sparen.
Das Angebot
—Wenn etwas alle ist, behelligen Sie damit nicht den Gast. Als Unternehmer muß man von Ihnen heutzutage selbständige Entscheidungen erwarten.
—Wenn das Frühstück am Sonntag überhaupt alle ist, dann lassen Sie erst einmal 30 Minuten verstreichen, ehe Sie dies dem Gast mitteilen. Oft vergeht ja der Appetit wieder ganz von alleine.
Das Wichtigste
—Berliner sind traditionsbewußte Menschen und haben eine lange Geschichte voller Entbehrungen und Mängel (Blockade! Mauerbau! 1.Mai! 17.Juni! Honecker!) hinter sich. Daran möchten sie gerne erinnert werden. Servieren Sie deshalb stets nur ein einziges kleines Stückchen Butter auch zu üppigen Schinkenplatten und teuren Lachsfrühstücken. Selbst Luxushotels halten sich an diese patriotische Gepflogenheit. So bleibt immer in Erinnerung, wie gekonnt die Oma in mageren Zeiten mit einer Messerspitze gehamsteter Butter siebzehn Stullen schmierte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen