: NORA hat Angst vor der Hauptstadt
■ Nordostdeutsche Dreiländeranstalt kommt wahrscheinlich nicht zustande/ Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern verweigert überraschend Zustimmung: Künftiges Bundesland Berlin-Brandenburg schaffe neue Situation
Schwerin/Berlin. Die nordostdeutsche Dreiländer-Rundfunkanstalt NORA (Mecklenburg, Berlin, Brandenburg) ist wohl gescheitert. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Alfred Gomolka (CDU) verweigerte gestern die Unterschrift unter den Staatsvertrag. Durch die Entscheidung für Berlin als Hauptstadt und die mögliche Bildung eines Bundeslandes Berlin-Brandenburg habe sich eine neue politische und wirtschaftliche Situation ergeben, begründete er den überraschenden Entschluß. Ursprünglich hatten sich die drei Ministerpräsidenten zur Unterzeichnung des Staatsvertrags im brandenburgischen Neuruppin treffen wollen. Dies klappte jedoch aus terminlichen Gründen nicht. Daß die Unterschriften dann per Auto »eingesammelt« wurden, machte Gomolka den Rückzug leichter. Er scheut vermutlich eine Niederlage im Parlament, das der Dreiländeranstalt NORA noch zustimmen muß. Denn der Koalitionspartner FDP sowie SPD und PDS haben sich für ein Zusammengehen mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) entschieden, der von den Ländern Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gebildet wird. Das Schweriner Kabinett hatte sich kürzlich gegen die Stimmen der FDP-Minister für NORA ausgesprochen.
In Berlin und Potsdam rechnen die Regierungen und die Parteien nun kaum mehr damit, daß eine Dreiländeranstalt zustande kommt. Im Brandenburger Landtag favorisiert die SPD-Fraktion nun eine eigene Landesrundfunkanstalt, die mit dem »SFB kooperieren« solle. Auch das Bündnis 90 fordert einen Alleingang. Der dritte Ampelkoalitionspartner, die FDP, hingegen setzt sich für eine Zweiländeranstalt ein. Der schwarz-rote Senat in Berlin ist laut Senatssprecher Flämig »enttäuscht«. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) hofft, daß NORA »nur auf Eis gelegt ist«.
Die Berliner CDU-Fraktion tendiert nun in Richtung eines eigenständigen »Hauptstadtsenders«, während die SPD sehen will, »was sich gemeinsam mit Brandenburg machen läßt«. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Staatsvertrag zu NORA machte gestern die Fraktion Bündnis 90 geltend. Die medienpolitische Sprecherin der Fraktion, Anette Detering, sagte, daß die in der Verfassung festgeschriebene »Staatsferne« nicht gewährleistet sei. Frauen und kulturelle Einrichtungen seien im Rundfunkrat nur unzureichend vertreten, Ausländer kämen gar nicht in dem Gremium vor. Die Fraktion fordere die Gründung einer Rundfunkanstalt Berlin-Brandenburg. Detering sprach sich für ein »Anhalten der Uhren« bei der Auflösung des DDR- Rundfunks aus. Ohne eine längere Zeitspanne werde die Überführung von Personal und Programm in die Länderanstalten unmöglich. kotte/ig/adn
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