piwik no script img

Die Eingenommenheit als Maßstab

■ Olivier Mosset in der Galerie Anselm Dreher

In der Galerie Anselm Dreher stellt Olivier Mosset derzeit neue Varianten seiner unterschiedlich betitelbaren (Post Neo Geo, Neo- Rekonstruktivismus, etc.) Farbfeldmalerei vor. Der gebürtige Schweizer, der nun in den Vereinigten Staaten lebt, entwickelte den originär amerikanischen Stil der Color Field Malerei aus den 50er Jahren weiter. Treibt das »Gequälte Quadrat« (Titel einer Installation von Peter Weibel) zu einem Nullpunkt zwischen Inszenierung und Dekoration, der zunächst nur Unverständnis hervorrufen kann.

Daher ist es fast unbedeutend, die Ausstellung selbst zu beschreiben: es geht nicht um die Materialität der Werke, sondern um die »reine Malerei der Farbe« (Delauny). Obwohl diese Immaterialität nur empfunden, aber nicht beschrieben werden kann, sei hier trotzdem genannt, was ausgestellt wird. Die Hängung ist konsequenterweise so spartanisch wie möglich. In den vorderen Räumen sind insgesamt drei Arbeiten präsentiert, die jeweils aus zwei gleich goßen (ca 2,5x1m), identisch colorierten Tafeln bestehen. Im ersten Raum ein fleischfarbener Diptychon auf Leinwand, im zweiten Raum zwei eng nebeneinander gehangene Diptychen, das eine flächig glänzend pink gefärbt, das andere orange.

Das Organisch-Menschliche, angedeutet durch Leinwandstruktur und Farbgebung wird dem Synthetisch-Künstlichen in mehrfach gebrochener Weise gegenübergestellt. Da die Bildformate identisch sind und die Farbtafeln in zwei verschiedenen Räumen hängen, ist keine eindeutige Aussage, keine eindeutige Bewertung möglich. Künstlichkeit und Natürlichkeit sind gleichzeitig verschieden und sich ähnlich. Diese Post-Painterly Abstraction, die Malerei am Nullpunkt, minimalisiert den Bildgehalt zu einem so rudimentären Equipment, daß mangels bildimmanenter Wegweiser die Ausstellung zur Beliebigkeit verdammt ist.

Erst die Beschäftigung mit dem kunsttheoretischen Beiwerk ermöglicht eine Aussage, die über ein »Ja-Aha« hinausgeht. Eine Kunst, die durch ihre vierzigjährige Tradition (Zip-Bilder Barnett Newmans) und der Vieldeutigkeit der farfeldnerischen Zusammenstellung sich auf ewig selbst rezitieren kann, ohne jemals wirklich angreifbar zu sein. Denn das Statement der »Post-Painterly Abstraction« ist das Statement des Kritikers. Der unvoreingenommene Besucher wird höchstens irritiert, wenn nicht gelangweilt sein. Der voreingenommene Besucher wird vielleicht eine Handschrift erkennen, die so minimal ist, daß nicht mehr geprüft werden kann, ob sie durch die Kunstkritik erzwungen oder vom Künstler erdacht worden ist. Jürgen Peters

bis 13.7.; Pfalzburger Str. 80, 1-15, Di-Fr 14-18.30, Sa 11-14 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen