: Verdammt und verehrt: Der Trabi in Yankee-Land
„Sicherheitsbedrohung“ und „Dreckschleuder“/ Bassist von Silly tauschte ihn gegen Mercedes/ Behörden verweigern Fahrgenehmigung/ Im Möbelwagen über Land/ Was geschieht mit dem kleinen Auto?/ Diverse auch schmerzhafte Vorschläge für seine Weiterverwendung ■ Aus USA Taryn Toro
Ausgerechnet das DDR-Auto sprengt den Glauben an die unbegrenzten Möglichkeiten von Amerika.
Der erste importierte Trabant erreichte bereits im Frühling vergangenen Jahres die Vereinigten Staaten und stieß dort auf mehr Hindernisse, als er jemals auf DDR-Straßen gesehen hatte. Bevor er es knatternd mit Chevys und Corvettes auf amerikanischen Highways hätte aufnehmen können, wurde er bereits von Umwelt- und Sicherheitsbehörden aus dem Verkehr gezogen.
Bei der Entladung des hellblauen 89er Kombi-Modells blieb zunächst für die US-Zollbehörde alles unverdächtig, allein beim Blick unter die Haube stellte sich schnell Ernüchterung ein.
Das Aussehen des kleinen Zwei- Zylinder-Motors erinnert an Rasenmäher, so wie sie seit 1950 in den USA bekannt sind. Der Zoll alarmierte die Umweltbehörde, die dieses Auto untersuchte und daraufhin dem Importeur William Kaman aus Bloomfield, Connecticut, mitteilte, daß der Wagen eine Dreckschleuder und Sicherheitsbedrohung darstellt.
Sie verhängten ein Fahrverbot auf öffentlichen Straßen und machten zur Auflage, innerhalb eines Jahres, sozusagen nach dem Genuß der beschränkten Freiheit in Amerika, ein definitives Ende zu setzen. Entweder sollte der Wagen wieder ausgeführt oder eingestampft werden.
Der Importeur vertreibt in Deutschland hergestellte Baßgitarren von der Firma Warwick in den Vereinigten Staaten. Er importierte dieses Auto, um die Instrumente auf einer Chicagoer Verkaufsmesse im letzten Juni bekanntzumachen. Der frühere Besitzer des Autos ist der Bassist Jackie Resznicek von der Rockgruppe Silly. Er trennte sich nicht freiwillig von seinem Trabi wie seine Landsleute, die diese Autos an Straßenrändern und in Feldern aufgeben und stehenlassen. Als Gegenleistung für seinen Trabi erhielt er einen 77er Mercedes vom Firmenvorstand Hans-Peter Wilfer.
Im Vergleich zu den Ausgaben für den 28.000 DM teuren Mercedes, entpuppten sich die Kosten für ein sozialistisches Auto in einer kapitalistischen Werbeaktion als sehr gering. Allein die Schiffspassage kostete bereits 4.800 DM, und von hier mußte der Trabant noch 1.500 Kilometer nach Chicago gebracht werden. Das Fahrverbot schloß den sparsamen und günstigen amerikanischen Spritpreis (0,61 Pfennig/l) für den Trabi aus, dafür wurde er exklusiv in einen Möbelwagen geladen und nonstop nach Chicago verfrachtet.
Die Verkaufsschau erregte das Interesse der amerikanischen Automobilzeitschrift 'Car and Driver‘, die daraufhin mit dem Importeur eine Testfahrt arrangierte. Wie der Testfahrer bei der Überführung von Connecticut nach Michigan mitteilte, kann er sich nur über den Standard der ostdeutschen Ingenieurleistung wundern. Er stellte fest: „Ein Trabant besteht aus Fiberglas, Plastik, Pappe und Sprungfedern. Es werden weder Abgas- noch Sicherheitsnormen erfüllt, es gibt keine Rückhaltesysteme oder Stoßdämpfer.“
Ungeachtet der mickrigen Erscheinung des Autos starteten Kaman und 'Car and Driver‘ eine Kampagne mit dem Slogan: „Rettet den Trabi!“ Die Zeitschrift erhielt von ihren fünf Millionen Lesern meine Fülle von Vorschlägen, was aus dem Trabi werden soll. Diese Aktion fand nicht nur die Aufmerksamkeit in den Medien, auch Politiker sahen darin eine dankbare Argumentationshilfe. Den Trabi zu erhalten bedeutet auch anschaulich beweisen zu können, wie schlecht der Kommunismus wirklich war.
Unter den vielen Vorschlägen für die Trabi-Verwendung war kaum einer, der sich für die Benutzung als normales Verkehrsmittel aussprach. Vielmehr sollte der Trabi ein gewaltsames Ende nehmen, zum Beispiel von einem Kran gehoben in die Tiefe stürzen und ausbrennen, wie am Abend der Wiedervereinigung in Berlin geschehen. Eine Gruppe aus Terre Haute, Indiana, stellte sich vor, bei Vollmond mit Geheul aus Maschinengewehren auf das Auto schießen zu dürfen.
Etwas friedlicher klang die Idee, den Trabi als mobilen Blumenkübel in die obskure Skulpturenlandschaft amerikanischer Vorgärten mit einzufügen. Politisch subtil dagegen die Aufforderung, Ted Kennedy möge im Trabant Saddam Hussein an die Stelle von Chappaquiddick chauffieren, wo einst seine Sekretärin unter nie geklärten Umständen ertrank.
Trotz solcher gutgemeinter Offerten bleiben die Behörden unnachgiebig. Das kleine Auto war bereits auf der Schredderanlage des Ferrouas Processing & Trading Co. Detroit abgestellt. Fernsehjournalisten warteten auf die landesweite CBS-Frühstückssendung This Morning, um live von der endgültigen Entsorgung des ersten und letzten Trabis in Amerika berichten zu können. In letzter Minute überraschten Bürokraten in Washington mit einer telefonischen Anordnung, den Trabant zu begnadigen.
Seit dieser schicksalhaften Wende versucht Kaman, seinen Trabi im Smithsonian Museum unterzubringen, das eine dem Deutschen Museum in München vergleichbare Institution in Amerika darstellt.
Als Motiv für sein Vorhaben führt er die Einzigartigkeit des Trabant an, seine historische Rolle als Anschauungsobjekt für den technischen Anachronismus am Ende des 20.Jahrhunderts. So erhält der Trabant die Bedeutung einer Ikone jener Gesellschaft, die ihn einmal hervorgebracht hat, mehr als jedes andere bunte Stück Schrott deutscher Konsumgesellschaft.
Vielleicht ist Amerika immerhin das letzte Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
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