: Die unendliche Geschichte
Ivan Lendl ist auch beim zwölften Anlauf in Wimbledon gescheitert/ Schuld an seinem ewigen Leiden auf dem Londoner Rasen ist der Heuschnupfen/ Stich im Viertel-, Graf im Halbfinale ■ Aus Wimbledon Michaela Schießl
Ladies and Gentlemen, es ist wieder soweit für den Running-Gag von Wimbledon: Ivan Lendl ist ausgeschieden. Bitte lachen Sie nicht, denn diesmal ereilte ihn das Schicksal schon in der dritten Runde statt wie sonst im Halbfinale. Schlimmeres begab sich einzig 1981, als er gar sein Auftaktmatch verlor.
Der Mann, der wollüstiger als jeder andere nach dem Wimbledon-Titel lechzt, hatte gegen den druckvollen Aufschlag des Amerikaners David Wheaton kaum eine Chance. Wheaton, der Lendl schon beim Grand-Slam-Cup in München ziemlich ungeniert aus dem Turnier befördert hatte, gewann 6:3, 3:6, 7:6, 6:3 und schrieb damit ein weiteres Kapitel in der unendlichen Geschichte einer unglücklichen Liebe. Denn Ivan Lendl, der beinharteste Arbeiter unter den Tennisprofis, hat alles versucht. Ein eigener Grasplatz mußte her, 1990 ließ er die French Open sausen und übte, diesmal reiste er neun Wochen vorher an, wurde aber von einer Handverletzung gehandicapt. Der Rasen jedoch bleibt unerbittlich und forderte Lendl bereits im zweiten Spiel alles ab: fünf erschöpfende Sätze gegen Malivai Washington kostete der Eintritt in Runde drei.
Doch der eisige Ivan ist ein eingebildeter Liebeskranker. In Wirklichkeit sträubt sich alles in ihm gegen Rasen — er leidet unter Heuschnupfen. Will heißen, er ist allergisch auf Gras. Und das Gras offenbar auf ihn. Das mit den beiden wird somit nie was werden, das Grün stößt Lendl immer wieder von der Bettkante. Trotz all der Ohrfeigen jedoch will es der ewig Abgewiesene nicht wahrhaben und beschloß sogleich, es nächstes Jahr wieder zu versuchen. Doch ist eine gewisse Abstumpfung nicht zu leugnen: „Ich bin nicht sehr enttäuscht, nicht mehr. Es gab keinen Punkt, über den ich mich hätte ärgern können. Ich hatte zwar mehr Breakpoints als Wheaton, aber er machte was aus seinen.“ Ein alternder Liebhaber, der nur noch aus Gewohnheit balzt.
Und sich zu aller Schmach von den Jungen belehren lassen muß. „Rasenspiel kann man nicht trainieren. Das hat man im Blut oder nicht“, sprach Boris Becker mit verruchtem Dreitagebart. Er wirkte im Match gegen den Moskauer Andrej Olschowsky allerdings zeitweise selber etwas blutleer. Sanft ließ er sich von dem unbekannten Schmächtling einlullen, der ihm die ersten beiden Sätze leicht überließ. Als der Held aus Leimen schließlich entschlummerte, zeigte der 24jährige Qualifikant seinen gewaltigen Aufschlag und spielte faszinierendes Serve- and-Volley. „Mist! Mist! Mist!“, randalierte der unsanft erwachte Becker und kramte seine allerfeinsten Returns und Passierschläge aus der Schlafanzugtasche.
Nur das Fach für den Aufschlag blieb am Ende unauffindbar: Zwei Matchbälle verdattelte er mit Doppelfehlern. „Die wollten einfach nicht reingehen.“ Ansonsten ist unser Liebling aber recht zufrieden dieses Jahr. „Die englische Presse hat kapiert, daß ich kein Idiot bin, sondern ein ganz normaler Kerl, der ganz gut Tennis spielt.“
Auf Messers Schneide stand gestern das Achtelfinalmatch von Michael Stich gegen Alexander Wolkow (UdSSR). Fast schien die Partie bereits verloren, als Wolkow bei 5:4-Führung im fünften Satz Aufschlag hatte. Ein glücklicher Netzball verhalf Stich jedoch zum Breakball, er glich aus und wenig später verwandelte er seinen dritten Matchball zum 7:5.
Weniger Probleme hatte Steffi Graf in ihrem Viertelfinalmatch gegen Zina Garrison. Vor einem Jahr hatte sie gegen die Amerikanerin verloren, diesmal siegte sie 6:1, 6:3.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen