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Ein Tag im Inselglück

■ Warum nach Gomera schweifen, wenn das Schöne liegt so nah

Als es noch vornehm war, auf Helgoland zu urlauben.

Ein Helgoland-Urlaub beginnt auf der „Helgoland“. So heißt das weiße Seebäderschiff, daß den ganzen Sommer über Tag für Tag bis zu 1.800 SommerfrischlerInnen von Bremerhaven zur Insel fährt. Spätestens dann, wenn sich

die Passagierin am Bahnsteig Columbus-Kaje in eine günstige Startposition gebracht und sich erfolgreich an Bord gedrängelt hat und es ihr auch gelungen ist, aus der Bar im Unterbauch des Schiffes einen Plastikstuhl bis aufs höchste Deck zu balancieren und sie es außerdem geschafft hat, diesen Stuhl in einer Lücke zwischen den platzhirschigen Liegestuhl-BewohnerInnen so zum Stehen zu bringen, daß sie von ihren Liegestuhl-NachbarInnen ohne Murren geduldet wird, ja, ab dann kann der Urlaub anfangen: Das weiß-blaue „Seebäderschiff“ tutet und legt ab, die Sonnencreme Schutzfaktor 10 wird wohlverschmiert, die bloßen Füße hochgelegt: Der erste, wohlkalkulierte Sonnenbrand des Jahres darf über die blassen Schultern kriechen. Ein mildes Lüftchen weht an Deck. Unten im Schiffsbauch spielt einsam eine Kapelle Foxtrotts.

Drei Stunden währt die Schiffsreise, dann ist „Deutschlands einzige Hochseeinsel“ und „Deutschlands pollenärmster Ort“ bis auf wenig hundert Meter erreicht und die für Deutschlands Inseln einmalige Prozedur des „Ausbootens“ darf beginnen. In ihren offenen Börde-Booten kommen die Helgoländer Fischer angetuckert und transportieren die SommerfrischlerInnen scharweise zum Anlegesteg. Das sorgt bei den einen für maritime Arbeitsplätze und bei den anderen für uriges Helgolandflair.

Die „Helgoland“ ist dabei nicht das einzige schmucke, weiße „Seebäderschiff“, das in Helgoland vor Anker liegt. Auch aus Hamburg, aus Wilhelmshaven, aus Cuxhaven und von Nachbarinseln treffen Kreuzer ein. Jeden Tag zur Mittagsstunde ergießen sich Heerscharen von Schiffs-PassagierInnen über das schöne Eiland und inspizieren das Wichtigste in Kürze. Zu sehen, zu schmecken, anzutesten gibt es viel: Der Rundweg mit Meeresblick, der zu den berühmten roten Bundsandstein-Felsen führt und zum Wahrezeichen der Insel: Dem etwas abseits empor-ragenden langen Anna-Felsen. Dann die beiden kleineren Strände der Hauptinsel, auf denen das Badehandtuch kurz ausgebreitet werden kann. Oder: Die Vögel, die im Fels nisten und die bei näherem Hinsehen sich längst nicht alle als gleichförmige Möwen entpuppen. Wieder zurück im Ort warten die Eisdielen und Läden: Zollfreier Einkauf lockt.

Doch das Inselglück der TagespassagierInnen währt nur wenige Stunden, gegen 16 Uhr müssen die Helgoland-Kreuzer wieder die Anker lichten. Länger auf Helgoland verbleiben und mit mehr Ruhe die Insel entdecken, dürfen nur diejenigen SommerfrischlerInnen, die sich ein Zimmer gebucht oder ein Zelt mit gebracht haben. Sie dürfen auch die „Gemeindefähre“ benutzen und sich von den Helgoländer Bootsmännern zur „Helgoländer Düne“ schippern lassen. Das ist eine kleine Nebeninsel mit zwei wunderbaren, ruhigen und sandigen Nordsee-Stränden. Viele Strandkörbe sind frei: An Helgolands Nord- und Südstrand herrscht angenehm lauer Badebetrieb.

Letztes Wochende wurde das „1.Helgoländer Open-Air-Festival“ am Südstrand gegeben — mit Bands „aus Helgoland und Umgebung“. Auch hier war es bei Krakauer und Bier angenehm lau, kein Vergleich mit Woodstock.

Zum gemächlichen Helgoland- Urlaub gehört natürlich auch die Rückfahrt auf der „Helgoland“ — eine Rückreise, die schon deshalb gemächlich wird, weil die informierte Touristin inzwischen weiß, daß an Wochentagen (Mo-Fr) alles Gedrängel überflüssig ist und einer der begehrten 200 Deck-Liegestühle lässig zu haben ist. Ahoi. B.D.

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