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Zwangsabschiebung wird vorbereitet

■ Eine junge Türkin mit zwei Kleinkindern soll abgeschoben werden/ Familienfürsorge Wedding plädiert für Aufenthaltserlaubnis/ Die Frau floh im Herbst 1990 vor ihrem brutalen Mann nach Berlin

Berlin. Eine junge Türkin mit zwei Kleinkindern wird möglicherweise bald aus Berlin abgeschoben. Wie Rechtsanwältin Maria Wilken in einer Presseerklärung mitteilte, lehnte es die Senatsverwaltung für Inneres am 10. Juli endgültig ab, der jungen Frau und ihren Kindern eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Behörde bestand auf dem vor Wochen schon einmal gefaßten Beschluß, obwohl die Familienfürsorge des Bezirks Wedding in einem siebenseitigen Gutachten zu dem Schluß kam, daß eine Rückkehr in die Türkei besonders für die Kinder sehr schlimm wäre. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, schrieb die Familienfürsorge nach gründlichen Recherchen, »wird dringend befürwortet«.

Nach Angaben der Rechtsanwältin lebte die 1967 geborene Türkin Nürgül S. von 1978 bis 1986 bei ihren in der Bundesrepublik arbeitenden Eltern, legte auch hier 1984 den Hauptschulabschluß ab. Zu diesem Zeitpunkt beschlossen die Eltern entsprechend den tradierten türkischen Vorstellungen, ihre Tochter zu verloben, ohne daß das Mädchen überhaupt gefragt wurde. Im Jahre 1985 fand die »Hodscha-Eheschließung« statt, ein Jahr später — sie war bereits schwanger — erfolgte die standesamtliche Eheschließung. Hochschwanger kehrte sie in die Türkei zurück, um dort mit ihrem Ehemann zu leben. Wenig später, 1986, wurde in der Türkei das erste Kind geboren.

Die Ehe stellte sich als Tortur heraus. Der Ehemann betrank sich ständig, die junge Frau durfte die Wohnung nicht verlassen, sie und ihr Kind wurden heftig geschlagen. Aus Angst um die Gesundheit des Kindes schickte Nürgül S. den Sohn zu ihren Eltern nach Berlin. Sie selbst wurde Mutter eines zweiten Kindes, was ihren Mann allerdings nicht daran hinderte, sie weiter zu prügeln. Im Gegenteil, er sei immer gewalttätiger geworden, berichtete die Rechtsanwältin, er habe gar gedroht, Nürgül umzubringen. Im Herbst 1990 sei die Leidensfähigkeit der jungen Frau erschöpft gewesen. Sie bat ihre Eltern um die Erlaubnis, nach Berlin kommen zu dürfen, und reiste im November mit einem Touristenvisa ein. Die Ehe wurde im Mai 1991 rechtskräftig geschieden, das Sorgerecht für beide Kinder erhielt die Mutter.

Ihren noch im Dezember 1990 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat das Landeseinwohneramt, später die Senatsverwaltung für Inneres und noch später das Verwaltungsgericht Berlin abgelehnt. Ein Härtefall würde nicht vorliegen, argumentierten die Behörden. Sie müsse das Land entsprechend den Bestimmungen des Ausländergesetzes verlassen, weil sie bei der Einreise älter als 21 Jahre war. Auch das neuerliche Gutachten der Familienfürsorge konnte Herrn Voß, Referatsleiter für Ausländerangelegenheiten bei der Senatsverwaltung für Inneres nicht umstimmen. Das Weddinger Gutachten hätte keine Anhaltspunkte für einen neuen Sachverhalt ergeben, ein Härtefall läge nicht vor. Jetzt liegen die Akten über Nürgül S. bei der Ausländerbehörde. Die Vorbereitungen zu einer Zwangsabschiebung haben begonnen. aku

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