: USA: Saddam nicht vor Invasion gewarnt
Telexe der US-Botschaft belegen Appeasementpolitik gegenüber Bagdad ■ Aus Washington Rolf Paasch
In Washington sind neue Beweise für die Beschwichtigungspolitik der Bush-Administration gegenüber dem Irak vor Ausbruch des Golfkriegs aufgetaucht. Bislang geheimgehaltene Telex-Meldungen der US-Botschafterin in Bagdad, April Glaspie, haben erneut Zweifel an deren Aussagen vor dem Untersuchungsausschuß des Senats aufkommen lassen.
Frau Glaspie hatte dem Kongreß im März berichtet, sie habe Saddam Hussein im Juli 1990 mehrmals nachdrücklich vor einem Einmarsch in Kuwait gewarnt. Ein von irakischer Seite veröffentlichtes Protokoll ihres letzten Gespräches mit Saddam hatte jedoch einen ganz anderen Eindruck vermittelt. Die von April Glaspie anschließend nach Washington geschickten Telexe unterstützen jetzt die irakische Version. Nach Angaben eines Mitarbeiters des US-Senats, dem der Inhalt der Telexe bekannt ist, hat Frau Glaspie Saddam in jener Unterredung angedeutet, daß sein Standpunkt durchaus legitim sei, und man mit ihm als Person „zusammenarbeiten kann“.
Unterdessen hat Präsident George Bush eine Liste mit 20 irakischen Kommando- und Telekommunikationsanlagen abgesegnet, die von der US-Luftwaffe bombardiert werden sollen, falls sich Saddam weiterhin dem internationalen Wunsch nach Zerstörung seiner Atomanlagen entzieht. Mit der Bekanntgabe einer solchen Zielliste unternimmt die Bush-Administration ihren vielleicht letzten Versuch, den Irak mit nicht-militärischen Mitteln zur Erfüllung der UNO-Resolutionen zu zwingen, wonach Bagdad seine atomaren, biologischen und chemischen Arsenale aufgeben muß. Offensichtlich ist den US-Militärs auch klar, daß die nuklearen Materialien nicht durch Bombenangriffe zerstört werden können, weil Saddam das angereicherte Uran sowie Ausrüstungsgegenstände zur Herstellung von ABC- Waffen Geheimdiensterkenntnissen zufolge an geheimen Orten in der Wüste versteckt hat.
Während die Administration schon seit Wochen mit Angriffen auf irakische Ziele droht, geben sich die militärischen Planer im Pentagon eher zurückhaltend. Denn neue und eventuell erfolglose Missionen könnten die glänzende Einsatzbilanz der Streitkräfte während des Golfkriegs nachträglich in Mitleidenschaft ziehen.
Das nun auch im Rahmen der schnellen Eingreiftruppe andauernde Engagement der USA in der Grenzregion wie auch die Drohung mit weiteren Bombenangriffen werden in der US-Öffentlichkeit kaum noch diskutiert. In der Bush-Administration erweckt man zumindest nach außen den Eindruck, daß sich Washington nur widerwillig auf ein weitere Verwicklung in den Kurdenkonflikt an der irakisch-türkischen Grenze einläßt. Lediglich die unverwüstliche Existenz Saddam Husseins gilt in Washington als peinliches Relikt in der sonst ruhmreichen Episode des Golfkrieges.
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