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PRESS-SCHLAGUp Down!

■ Die Grafschaft Down gewinnt das Endspiel um die gesamtirischen Meisterschaften im Gaelic Football

Seit zwei Tagen ist Dublin in ein Meer schwarz-roter Fahnen getaucht. Während verstörte Touristen zunächst an den Ausbruch der Revolution in Irland glaubten, ist die Erklärung jedoch weit unpolitischer: Das Team der Grafschaft Down — in schwarzer Hose und rotem Hemd — gewann am Sonntag im Dubliner Croke Park Stadion die gesamtirischen Meisterschaften im Gälischen Fußball.

Ganz so unpolitisch ist das Ereignis allerdings nicht: Down liegt in Nordirland. Die Spieler sind offiziell britische Staatsbürger und werden in den gälischen Sportarten von der südirischen Konkurrenz kaum für voll genommen. Daher war auch die erste Reaktion des Kapitäns von Down, Paddy O'Rourke: „Wir haben Nordirland wieder einen Platz auf der gälischen Landkarte gesichert.“

Das Finale im Gaelic Football ist das wichtigste Ereignis des irischen Sportkalenders. Das Spiel erinnert entfernt an Fußball. Auch hier geht es darum, das Leder im Netz unterzubringen, was drei Punkte zählt. Dazu dürfen jedoch auch die Hände benutzt werden. Eine andere Regel macht das Spiel zu einem Alptraum für die Torhüter: Geht der Ball zwischen den — theoretisch bis in den Himmel verlängerten — Pfosten über die Querlatte, zählt es einen Punkt. Über die Behandlung der Gegenspieler gibt es strenge Vorschriften, was unbedarfte Zuschauer kaum für möglich halten. Rugby erscheint im Vergleich zum Football wie eine Sportart für Priesterschüler.

Das Team der Grafschaft Meath galt am Sonntag als klarer Favorit. Schließlich hatte die Mannschaft in den vergangenen Jahren zweimal die Sam-Maguire-Trophäe gewonnen und in der Vorrunde den Mitfavoriten Dublin nach höchst dramatischen Spielen ausgeschaltet. Die ersten drei Begegnungen endeten unentschieden, was beim gälischen Fußball recht selten vorkommt, und erst im vierten Spiel sicherte sich Meath in letzter Minute den Sieg mit einem Punkt Vorsprung. Als Dublin kurz vor dem Abpfiff einen Freistoß aus Nahdistanz — normalerweise ein sicherer Punkt — zugesprochen bekam, lief Meath- Kapitän Liam Hayes bellend neben dem Schützen her, so daß dieser kläglich vergab. Diese Sauerei haben die Dublin-Fans bis heute nicht vergessen. Ihre Sympathien lagen eindeutig beim Außenseiter aus dem Norden, was sich in zahlreichen originellen Transparenten ausdrückte: „Up Down.“

Die Männer aus dem Norden hatten einen Rekord zu verteidigen: Noch nie hatten sie ein Endspiel verloren. Allerdings hatten sie das Finale bisher nur dreimal erreicht, zuletzt vor 23 Jahren. Ihnen war anzumerken, daß sie es nicht gewohnt waren, vor 65.000 Zuschauern zu spielen. Erst nach einer Viertelstunde legte sich ihre Nervosität, und Down zog Punkt um Punkt davon. Die Spieler aus Meath sahen dem schwarz-roten Wirbel zunächst ungläubig zu und verlegten sich in ihrer Hilflosigkeit darauf, den Gegner zu Boden zu strecken. Liam Hayes, der ohnehin keine Sympathien mehr zu verlieren hatte, versetzte seinem Kontrahenten von hinten einen Schwinger, für den er selbst bei einem Boxkampf disqualifiziert worden wäre. Nicht jedoch beim Gaelic Football — Schiedsrichter Seamus Prior wackelte lediglich tadelnd mit seinem Zeigefinger. Zur Halbzeit führte Down mit 8:4. Bis dahin war es kein großartiges Spiel.

Doch nach der Pause legten die Nordiren los wie die Feuerwehr. 20 Minuten vor dem Abfiff lagen sie gar mit elf Punkten Vorsprung vorne — und erlahmten urplötzlich. Meath holte Punkt um Punkt auf und war am Ende bis auf zwei Punkte herangekommen: 19:17.

Beim Schlußpfiff brachen sämtliche Spieler und die meisten Zuschauer in Tränen aus: Die Leute aus Meath vor Verzweiflung, die Nordiren aus Rührung. An jedem Down-Spieler hing mindestens ein Dutzend Fans wie Kletten. Ein Anhänger hatte es in dem Chaos geschafft, sich einen Weg zur Präsidentin Mary Robinson zu bahnen. „Wenn Sie nicht die Präsidentin wären, würde ich Ihnen jetzt glatt einen Kuß geben“, sagte er — und tat dann genau das. Ralf Sotscheck

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