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Endlich diesem Panda den Garaus machen...

Als taz-Korrespondent bei den Jagdgesellen der Campania/ Vom bewaffneten Konflikt gegen die Umweltschützer  ■ Aus Benevent Werner Raith

Wenn Mannino Esposito diese Saison seine „Doppietta“ zur Hand nimmt, unterscheidet sie sich ganz entscheidend von den vorherigen Jahren: Erstens ist es keine wirkliche Doppietta mehr, keine nur doppelläufige Jagdbüchse, sondern hat drei Läufe — ein brandneues Modell mit der Bezeichnung „3 x 3 x 3“, womit man noch einmal mehr schießen kann und außerdem viel schneller als bisher. Und zweitens hat Mannino in diese drei Läufe diesmal zum Auftakt der Jagd ein besonderes Sortiment geschoben: links oben eine Schrotpatrone für mittelgroße Vögel und Hasen, rechts eine Platzpatrone und unten eine mit Wachtelschrot, dem ganz feinen. „Erfahrung macht schlau“, sagt er, „und damit tue ich auch dem Gesetz Genüge.“

Beifälliges Grinsen bei seinen Kameraden, mit denen er sich vor dem Morgengrauen zum Waldrand an der Grenze der Provinzen Benevent und Avellino im Neapolitanischen aufmacht.

Die „Erfahrung“, von der Mannino spricht, sind Erlebnisse der letzten Jahre: da hatten dem Jäger aus Leidenschaft — „seit dreißig Jahren, und schon als Junge“ — verbiesterte Umweltapostel die Freude verdorben. „Wie Hottentotten aus dem Busch“ waren sie hervorgebrochen, hatten mit Trommeln und Knallkörpern ein Heidenspektakel gemacht und die angepeilten Schrotopfer in das tiefste Dickicht verscheucht. „Ein Schock für die armen Tiere“, barmt Manninos Freund Carlo noch heute, so als wäre den Viechern der Tod allemal lieber gewesen als solch ein Schreck in der Morgenstunde. „Wochenlang sind die nicht mehr herausgekommen“, und da war die Saison für die Jäger schlichtweg eine einzige Pleite.

Mannino und seine Gesellen haben sich deshalb eine Gegenstrategie überlegt. Die Ambientalisten sitzen in ihren Verstecken, bis sie den ersten Schuß hören: „Die fangen nicht eher mit dem Trommeln an, weil sie erst wissen müssen, wo wir stehen, sonst treiben sie uns ja womöglich das Wild vor die Flinte.“ Also gibt Mannino den ersten Schuß ab, auf eine Ente oder einen Hasen. (Keinen einfachen „Lockschuß“ für die Grünen, denn „wenn die erste Patrone nicht ein Wild trifft, bringt das Unglück“, klärt mich Carlo auf.) Dann fangen die Ambientalisten zu trommeln an, worauf die Jäger in geschlossener Front gegen sie marschieren und sie zum Abhauen auffordern. Das untermalt Mannino mit einem Platzpatronenschuß — „wie es vorgeschrieben ist“. Und wer dann nicht schnell genug weg ist — „der kann sich mit dem Wachtelschrot befreunden“. „Das dauert Wochen, bis der wieder aus dem Hintern wegeitert.“ Ein regelrechter Schlachtplan.

Tatsächlich hat die schon seit Jahren schwelende Fehde zwischen Jägern und Umweltschützern diesmal etwas von einem Endkampf. Denn im Parlament soll dieser Tage das neue Jagdgesetz verabschiedet werden, und da haben alle ihre Politiker- Sympathisanten mobilisiert. Die Grünen sehen den von der Deputiertenkammer gebilligten Entwurf zwar als nicht optimal, aber tragbar an — doch nun hat der Senat größere Änderungen angekündigt, „und alle zum Schlechteren“, wie Anna Maria Procacci von der Grünen Fraktion feststellt.

Weshalb sie mit der Einleitung eines neuen Referendums gegen die Jagd droht. Das 1990 durchgeführte ist zwar gescheitert, aber das entmutigt die Wild- und Vogelfreunde nicht. Die Volksabstimmung war nämlich nur deshalb danebengegangen, weil das „Quorum“ von 50 Prozent Stimmabgabe nicht erreicht wurde. Diesmal stünde es günstiger: andere Referenden sind angesagt, mit sicher hoher Wählerbeteiligung (etwa zur Verfassungsänderung), und auf dieser könnten die Jagdgegner gut mitschwimmen.

Kein Wunder, wenn die Waidgenossen sich neuerdings mehr auf ihr Schrot denn auf ihre Helfer im Parlament verlassen wollen. Zwar weist Italien eine Jägerdichte wie kein anderes Land der Welt auf — einer von vier Italienern ist Hubertusjünger, fast die Hälfte der männlichen Abgeordneten jagt — doch man weiß eben nie.

So hallt es denn auch aus den Zeitschriften der Zunft. Verbandsexperten überbieten sich, immer neue Argumente für das Ballern und gegen die „unbeschränkte Hege“ vorzuführen — so, als gelte es vor allem die eigenen Mitglieder zu überzeugen. Zoologen werden zitiert, die geradezu von Dankbarkeit der Arten sprechen, wenn man diesen den Überschuß wegputzt. Sogar Vogelnetze werden als „gesamteuropäische Prävention gegen den totalen Ernteraub“ gepriesen.

Wo immer man Dummheit oder Bösartigkeit der Grünen unterstellen kann, wird es getan. Die neueste Nummer von 'Diana‘, der meistverkauften Jägerzeitschrift, widmet den gesamten Leitartikel der neuerdings festgestellten Tatsache, daß ausgerechnet das bisher als Muster von Friedlichkeit gepriesene Symboltier der Grünen, der Panda, als genüßlicher Fleischfresser enttarnt wurde. Also, wenn die Grünen jetzt nicht zur Besinnung kommen und „diesem dämlichen Panda den Garaus machen...“

Für Mannino jedenfalls ist dieser Jagdbeginn die Nagelprobe, wie weit man „dieses Ungeziefer noch zurückdrängen kann“, und so wartet er schon fast sehnsüchtig auf die direkte Konfrontation.

Doch dann kommt alles anders als geplant: Mannino schießt zwar seinen ersten Hasen, doch dann wartet er vergeblich auf die Trommelwirbel der Grünen. Nichts. Mehr als eine Stunde verharren wir atemlos, der Tag bricht an, die Tiere fliegen und äsen gemütlich herum, die Kameraden drängen ihren Mannino, angesichts dieses offenkundigen Feindesmangels nun doch zur Eröffnung der Saison zu schreiten. Schließlich gibt Mannino nach und ballert auf ein Rebhuhn. Doch, o Schreck, der Schuß bleibt ohne alle Wirkung. Auf Platzpatronen reagieren eben auch Vögel nicht.

Die Stimmung ist hin. Und sie wird noch schlimmer, als uns beim Heimtrab — einzige „Strecke“: der Hase — ein Wildhüter aufklärt, warum die Grünen heute nicht vor Ort waren. „Die sind doch heute alle in der Toskana, bei der Großdemo wegen des Naturparks, den sie ihnen versprochen und jetzt doch wieder für die Jagd geöffnet haben. Ihr Getrommle hier werden die erst die nächsten Tage beginnen.“ Mannino stöhnt: „Dann beginnt alles nochmal von vorne.“

Und weil Strafe sein muß, will er morgen alle drei Läufe mit Hasenschrot laden. Recht geschieht es ihnen, den Grünen. Warum sind sie nicht heute gekommen, wo es noch Platzpatronen und Wachtelschrot gab.

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