piwik no script img

Grüne und FDP einig: Keine Einwegflaschen

■ Fehlt es den Grünen an Liberalität? Fehlt es der FDP an Ökologie? Streitgespräch zwischen Helga Trüpel und Claus Jäger

Helga Trüpel, sind die Grünen liberal?

Helga Trüpel: Eines vorweg: Allgemeine Überlegungen, die ich zu dieser Frage anstelle, haben nichts zu tun mit möglichen Koalitionserwägungen. Das muß klar sein, sonst lasse ich mich auf diese Diskussion nicht ein.

Es gibt innerhalb der Grünen eine lange Debatte über „Ökologie oder Freiheit“. Wieviel Freiheit können wir uns leisten angesichts der ökologischen Katastrophe? Wieviel Freiheit brauchen wir, um nicht in eine Ökodiktatur abzurutschen?

Das Thema Liberalität ist auch ein wirtschaftspolitisches.

Trüpel: In den Anfängen gab es sogar Vorstellungen von Planwirtschaft innerhalb der Grünen. Heute ist für die große Mehrheit ein bißchen mehr Markt wünschbar, solange es sich in einem ökologisch vertretbaren Rahmen bewegt.

Herr Jäger, ist die FDP ökologisch?

Claus Jäger: Eine Politik, die auf die ökologischen Frgen keine Antwort gibt, hat überhaupt keine Zukunft. Es gibt nicht den Widerspruch Ökologie-Ökonomie. Es gibt die Fragen, welche Seite das Schwergewicht hat. Wir sagen: Was die Gesellschaft umverteilen will, muß erst erwirtschaftet werden. Die Wirtschaft ist dabei gut beraten, wenn sie auch als Kostenfaktor die ökologischen Auswirkungen einbezieht.

Trüpel: Da gibt es den politischen Streit. Es gibt da keine Interessenidentität von Ökonomie und Ökologie. Dennoch brauchen wir eine Synthese.

Herr Jäger, hat der bundesrepublikanische Staat nicht, was die ökologische Problematik angeht, viel zu viel Freiheiten gelassen?

Bitte bild2

Jäger: Wir haben das Ausmaß der Belastung der Natur unterschätzt, vielleicht auch bagatellisiert...

Hat die FDP da von den Grünen gelernt?

Jäger: 'Von den Grünen' ist mir zu sehr parteipolitisch ausgedrückt. Aber von Leuten, die sich um die Umwelt Sorge machen. Was ich aber den Grünen vorwerfe: Sie haben vor wenigen Jahren noch eine generelle Technikfeindlichkeit gepredigt. Das ist falsch, wir brauchen die Technik, um die ökologischen Belastungen beherrschen zu können.

Sind die Grünen technikfeindlich?

Trüpel: Als die grünen Strömungen zu einer Partei zusammengewachsen sind, hat es einen romantischen Flügel gegeben. Wir sind inzwischen aber an dem Punkt, wo es uns um die Art der Technik geht: Welche Technik wird entwickelt?

Technikbegrenzung durch staatliche Politik?

Trüpel: Wir hatte eine Gentechnik-Debatte in der Bürgerschaft, da hat mir das Problembewußtsein von Herrn Jäger nicht ausgereicht. Man kann da nicht einfach 'Freiheit der Wissenschaft' sagen. Bei der Gentechnik haben wir einen Punkt erreicht, wo es auch Technik-Verbot geben muß.

Jäger: Ich habe da grundsätzliche Bedenken: Forschung birgt immer die Gefahr von großen Risiken. Wer das ausschließen will, müßte letztlich Forschung verbieten. Deshalb muß der Staat ein Rahmen setzen, aber er darf nicht vorher sagen: Diese Forschung ist gut und jene schlecht.

Trüpel: Sie schlagen sich mehr auf die Technikseite als auf die Vermeidungsseite.

Jäger: Nein. Beispiel Abfallpolitik: Ich begreife überhaupt nicht, warum wir Einweggebinde haben. Aldi verkauft in Dänemark nur Pfandflaschen und in Deutschland soll das nicht gehen?

Sieht das Ihr Wirtschaftsminister Möllemann genauso?

Jäger: Der Umweltminister macht hier die Vorschläge. Aber es liegt ja nicht an Personen, es liegt an Interessen dahinter.

Trüpel: Eben.

Kann eine Partei, die die Wirtschaftskräfte für sich gewinnen will, ein profiliertes ökologisches Programm entwickeln?

Jäger: Natürlich. Mit Pfandflaschen würde man auf die Dauer weniger Glas produzieren müssen. Dafür müssen die Flaschen gereinigt werden. Ob dabei weniger Beschäftigung herauskommt, bezweifele ich.

Das ist volkswirtschaftlich gedacht. Ihre Wähler sind aber Betriebswirte. Die sind dagegen.

Jäger: Nein. Unsere Wählerschaft ist heterogen. Vor allem sind unsere Wähler solche, die sich selbständig machen wollen. Ich könnte mir vorstellen, daß die Wirtschaft hier Dienstleistungsangebote machen würde.

Das umweltpolitische Engagement der FDP wird nicht gebremst durch ihr Klientel?

Jäger: Einige meinen das. Ich bin da viel offensiver. Es ist einleuchtend, daß wir mit den Rohstoffen nicht so herumasen können. Wir haben ein hervorragendes umweltpolitisches Papier...

Trüpel: Papier.

Helga Trüpel, kann man es verantworten, die bremische Wirtschaft durch immer neue Restriktionen zu bremsen?

Trüpel: Das ist wieder der Unterschied zwischen Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. Aber warum ökologische Wirtschaftspolitik nicht praktikabel sein soll, sehe ich nicht. Ich räume ein: Es wird Streit mit der Handelskammer geben.

Thema Schulpolitik: Was ist der liberale Widerspruch zur grünen Schulpolitik?

Jäger: Ich weiß nicht, was die Grünen da wirklich wollen.

Die Grünen sind für Schulvielfalt. Das ist klassisch liberal.

Trüpel: Die Grünen wollen kleine, stadtteilorientierte Gesamtschulen. Sie wollen aber auch den Elternwillen ernst nehmen.

Jäger: Das ist in sich widersprüchlich.

Und wenn der Elternwille sagt: Wir wollen keine Gesamtschule, sondern ein Gymnasium?

Bitte Bild3

Trüpel: Dann wird es innerhalb der Grünen einen Streit geben.

Es gibt mehrere Fälle, in denen die Opposition gegen die SPD- Macht angerannt sind. Nennen Sie drei Beispiele für originäre gemeinsame Initiativen von FDP und Grünen!

(Pause)

Jäger: Mir fällt da jetzt kein Beispiel ein, aber es gab welche.

Gibt es FDP-Initiativen, denen die Grünen zugestimmt haben

Trüpel: Mir fallen spontan eher solche Beispiele ein, wo wir uns gestritten haben. Int.: K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen