: Solidarität von »falschen Freunden«
■ Ausländerfeindliche Ausschreitungen der »Skins« fördern Gewaltbereitschaft der »Autonomen«
Am vergangenen Wochenende spielten sich vor einem Heim für Asylbewerber in Schulzendorf bei Königs Wusterhausen gespenstische Szenen ab. Das örtliche Bürgerkomitee hatte einen anonymen Anruf erhalten, wonach eine Horde von Skins beabsichtigte, erst ein Heim in Pätz und dann das Haus in Schulzendorf zu überfallen. In Pätz splitterten Scheiben, in Schulzendorf nicht. Dort hatte das Bürgerkomitee es geschafft, eine Mahnwache von aktiven Christen aus der Umgebung und Aktivisten der Berliner Internationalen Liga für Menschenrechte (ILfM) zu organisieren.
Gespenstisch wurde die bis dahin friedliche Szenerie, als gegen 1 Uhr nachts eine etwa 20köpfige, sich selbst als »Autonome« bezeichnende Gruppe am Schauplatz eintraf. Feindliche Skins waren nicht zu sehen, die Berliner Truppe aber aufgeheizt und auf der Suche nach Action. Die Nummernschilder und Fenster ihrer Autos waren mit Tüchern verhängt, die Gesichter durch Haßkappen unkenntlich, berichteten Augenzeugen. Statt sich in die Mahnwache zu integrieren, brüllten sie herum, sammelten Steine und schlugen mit Baseballschlägern auf vorbeifahrende Fahrzeuge. Fast zertrümmert wurde der Wagen des Pfarrers von Eichwalde, die Gruppe hatte angenommen, er sei ein Polizeispitzel. Im Hof fanden sich am nächsten Morgen halbvolle Benzinkanister. In dieser Nacht hätten die 60 Asylbewerber im Heim, so berichtete die stellvertretende Heimleiterin Bärbel Tisson, »mehr Angst vor falschen Freunden« gehabt als vor Neonazis. Diese Leute »benutzen die Asylbewerber, um mit den Skins abzurechnen«. Die Hinweise mehren sich, daß der 3. Oktober ein Tag mit vielen solchen Anlässen sein könnte. Auch in Schulzendorf. Anonyme Anrufer informierten Bärbel Tisson, daß am deutschen Jahrestag Neonazis das Heim endgültig »aufrauchen« wollen. Sie hofft, daß sich Menschen finden, die das Heim am Waldrand schützen können. Die »Autonomen« hätten ihr »Wiederkommen« angekündigt.
Sorgen haben Mitarbeiter von kirchlichen und Menschenrechtsorganisationen. »Die Stimmung sei extrem aufgeheizt«, sagte ein Pfarrer aus Spandau, der den Vereinigungsfeiertag in einem Asylbewerberheim in Oranienburg verbringen wird. Das Beängstigende an den Gerüchten wäre, bestätigt Traudl Vorbrodt von Pax Christi und »Asyl in der Kirche«, daß schon Vermutungen den »Kessel« explodieren lassen könnten. »Aber was tun«, fragt sie, die Angst der Flüchtlinge vor dem 3. Oktober sei groß.
Während weder der »Flüchtlingsrat« noch verschiedene Beratungsstellen für Asylbewerber von konkreten Drohungen wissen, laufen in diversen Berliner Heimen Vorbereitungen für einen Selbstschutz. In Spandau, Tegel und Neukölln schon seit Tagen, weiß Machmoud E. von der »Arabischen Eltern-Union«. In einem Heim in der Grenzallee gab es am Wochenende kleinere Scharmützel mit messerbewehrten Skins. Um polizeilichen Schutz an diesem Tag haben ebenfalls zwei Flüchtlingsheime in Köpenick und Weißensee gebeten. In einem der Heime, berichtete ein Sozialarbeiter der taz, hätten sich gestern »Faschos« mit den Worten »bestellt für Donnerstag schon mal die Särge« verabschiedet. Auf Hochtouren laufen die Mahnwachenvorbereitungen der ILfM und SOS Rassimus. Menschen, die an diesem und anderen Tagen den Flüchtlingen zeigen wollen, daß sie willkommen sind, sollen sich telefonisch melden. Bei SOS-Rassismus ab 17 Uhr unter 6147990, bei der Liga unter Fax 3240256 oder Tel.: 3243688. aku
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