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Schon mehr als das halbe Leben

■ Die »Psychedelic Furs« im Metropol

Es war kühl und naß, als ich um halb acht Uhr in Richtung Metropol losmarschierte. Kein ungewöhnliches Wetter für Berlin um diese Jahreszeit. Letztes Jahr im Februar gaben die Psychedelic Furs ein Konzert in der Brixton Academy, renommierter Club in London. Dessen Startsong war Dumb Waiters, ein getriebenes Stück ihrer wohl besten LP, Talk, Talk, Talk von 1980. Seit Mitte 89 war Vince Ely, der Originaldrummer, der die Band nach Forever Now 1982 verließ, wieder dabei. Höchst erfreulich, denn gerade hatte er den Sound der Psychedelic Furs in ihrer wildesten Phase mitbestimmt.

Das Konzert in London endete mit einem infernalischen Knall, mit Into you like a Train und einem wahnsinnig orgiastischen India am Ende. Die Furs gingen von der Bühne, zufrieden lächelnd: Der alte Zauber hatte noch einmal gewirkt.

Nur heute, heute habe ich Kopfschmerzen. Nicht nur Vince Ely ist nun wieder ausgestiegen, auch in so wichtigen Stücken wie Easy Street, und High Wire Days mußten Keyboarder und Schlagzeuger passen, denn hier war kein Bezug zur Materie zu spüren. »The day runs out in factory, I should be happy, look at me, it's differently now — easy street.« So einfach ist die einfache Sache nicht, das wußten wir alle, aber wie Butler sie singt, hatte etwas Besonderes an sich — nicht so heute abend. Es klang wie von einem Mann, der kein Mann mehr sein will, und deshalb an nichts mehr glaubt als an seine zwei Stunden, die er als Performer herunterreißen muß, um an seine Welt zu kommen. Ein Mann, der nie erwachsen werden wollte, dem aber genau das passiert ist. Butler hat begriffen, »the world outside«, Titelsong der neuen LP, ist anders als seine eigene, und ohne seine eigene ist Butler nicht Butler. Das hat damit zu tun, daß er nach seinem Alkohol- und Drogenentzug zwangsläufig vernünftig denken muß, was nicht heißen soll, daß er nicht mehr an solche seltsamen Dinge wie die Liebe glaubt. Er versucht. Und er scheitert. Ganz wie die Dinge laufen. Nur mit weniger Pathos. Genauso wirken die Songs von ihrer neuen LP. Abgeklärt. Der Versuch, ein Mysterium um solche Dinge wie die Liebe zu bilden, wird von vorneherein zum kalten Kaffee; denn wo Leidenschaft nicht mehr bis zur Selbstaufgabe geht, kann eine Beziehung nur begrenzt überleben. Die alte Leidenschaft fehlt. Vielleicht bei den meisten über 30. Heutzutage sowieso. Daß seine neuen Beziehungen genauso sterben, wie die alten, sagte Butler kürzlich in einem NME-Interview. Es kostet halt nicht mehr das Leben. Konzertbesucher hier wie in England gehen in Pärchen zu den Furs, weil da eben Liebe und Leidenschaft nicht zwei getrennte Dinge sein sollen. Wenn aber Butler den »vernünftigen« Weg geht mit einer Frau, bleibt seine Imanigation auf der Strecke. So ist das Konzert im Metropol, halbvoll, nichts weiter als sein eigenes Remake und Ausdruck von Richard Butlers Überlebenswillen als Performer. Alles wirkt umgekehrt. Energische Songs klingen flach und heruntergedroschen, während skurrile zerbrechliche Liebeslieder wie The ghost in you besonders hervorgehoben werden im Kontext der Emotionalität. Vielleicht ist das auch wieder richtig so. Die 89er Single All that money wants irgendwo in der Mitte des Sets, spricht Bände — »I can't believe that I believed in you«, singt Richard Butler, und mir wird klar, daß dieser Mann mit dem Riß mitten durch sein Gesicht schon mehr als sein halbes Leben hinter sich hat. Peter K.

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