: Ost-WissenschaftlerInnen umpolen
■ Berufungskommissionen an der Humboldt-Uni fast ohne Frauen/ Frauen stellen sich der Vergangenheit/ Männer »waren immer Opfer«/ Berufungskriterien setzen West-Biographie voraus
Berlin. »Wenn jede Stelle an der Humboldt-Universität (HUB) neu ausgeschrieben wird, wird keine Frau aus dem Osten eine Chance haben«, prophezeit Heinrich Fink, HUB-Rektor. In den Berufungskommissionen dominieren Männer. Ein weiteres Hindernis ist die Biographie: Um auf die neu zu besetzenden Eckprofessuren berufen werden zu können, setzten die Kriterien eine wissenschaftliche Karriere nach westlichem Standard voraus. »Eine wissenschaftliche Monographie zu schreiben, wurde mir noch 1989 verboten«, berichtet die Althistorikerin Isolde Stark, ehemals an der Akademie der Wissenschaften. »1986 habe ich nach langen Kämpfen die Erlaubnis bekommen, mich zu habilitieren. Gleichzeitig wurde mir aber mein Forschungsgebiet geändert, so daß wieder alles vergeblich war. Jetzt erwartet man von uns rückwirkend eine Biographie der alten Bundesländer«. Die Wissenschaftlerin, deren 20 Jahre alte Dissertation auch im Westen heute noch als maßgeblich zitiert wird, kann sich bei dem neuen Vergabeverfahren noch nicht einmal als Oberassistentin bewerben.
Die Berufungs- und Strukturkommissionen, die über die Berufungslisten der einzelnen Fachbereiche befinden, werden an der HUB gerade gebildet. In diesen Gremien, die sich aus drei West-ProfessorInnen, drei Ost-ProfessorInnen und je einem Mitglied des Mittelbaus und der StudentInnenschaft zusammensetzt, sind gerade ein Viertel der Humboldt-VertreterInnen Frauen. »Wir wollen ja Frauen in allen Kommissionen haben, aber leider waren viele politisch hochengagiert«, begründet Heinrich Fink die seltene Wahl von Frauen. »Frauen sind doch nicht belasteter als Männer! Da tut man gerade so, als seien die ganzen staats- und parteitragenden Funktionen von Frauen ausgefüllt worden«, empört sich Gisela Petruschka, Frauenbeauftragte an der HUB. Frauen seien viel eher als Männer bereit, sich zu ihrer Vergangenheit zu bekennen. Sie hätten oft mehr Skrupel als Männer, sich für Kommissionen zu bewerben, denen nur persönlich integre Mitglieder angehören sollen. »Die Männer wollen dagegen heute alle Opfer gewesen sein, die waren alle dagegen, benachteiligt und von jeher reformerisch tätig oder sogar Widerstandskämpfer«, weiß Petruschka.
Von acht Professorinnen im Bereich Erziehungswissenschaften könne man eine als belastet bezeichnen, sagt Marlies Krauke, Frauenbeauftragte. In der Struktur- und Berufungskommission saß ursprünglich keine einzige Frau. Daraufhin unterschrieben sechs Professorinnen eine Petition an den Akademischen Senat, im Sinne des Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG) nachzubessern. Eine der Frauen, die nicht unterschrieben hat, sitzt heute als einzige in der Kommission.
Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) wäre verpflichtet, die Parität in den Kommissionen einzuklagen, statt dessen verwies er auf eine Anfrage der Abgeordneten Sybill Klotz (Bündnis 90/Grüne/ UFV). Von den Mitgliedern der Kommissionen würden wissenschaftliche Reputation, hervorragender Überblick über die entsprechenden Wissenschaftsbereiche und bei den Humbodt-VertreterInnen persönliche Integrität erwartet. Die Zusammensetzung der Kommissionen beruhe auf den Vorschlägen der HUB und des Wissenschaftsrates. »Daraus schließe ich, daß auch für den Senator Qualität, Reputation und Integrität bei Frauen nicht vorhanden ist«, sagt Klotz. Corinna Raupach
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