: HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN? Von Philippe André
In Westdeutschland werde ich oft gefragt, ob mein bizzares Gehverhalten und der durchweg unstet suchende Blick vielleicht die Folge einer schleichenden Krankheit sei. „Keineswegs“, antworte ich regelmäßig, im Berliner Großstadtdschungel sei eben alles anders, nicht nur der Gang der Dinge. Soundsoviel tausend Hunde ergäben nun mal eine Menge Kot, an der man erst mal unbeschadet vorüber müsse. Also sei klar, daß der Berliner nicht eigentlich gehen, sondern meist nur ausschreiten könne — von freier Stelle zu freiem Fleck; im Westen. Im Ostteil der Stadt waren sie nicht so blöd, sich zu all den heimischen Nagetieren auch noch massenweise Hunde anzuschaffen wie im Westberliner Viermächtezwinger. Gut, es gab mal kurzfristig eine ganz spaßige Zeit während des rot- grünen Westberliner Feminats. Da galt ein Gesetz, mit dem man jedes Herrchen in den Wahnsinn treiben konnte, wenn einem danach war. Jeder Hundehalter, dessen Köter neben den hierfür vorgesehenen Trottoirstreifen schiß, konnte aufgefordert werden, „umgehend die ekelhaften Exkremente zu entfernen!“. Half die Anweisung nicht sofort, durfte man genüßlich „Herr Polizist“ rufen und ihn penetrant auf die „Strafbarkeit dieses Verhaltens hinweisen“. Doch irgendwie gilt das jetzt nicht mehr. Stattdessen hatten wir hier auch diese Diskussion über die Existenzberechtigung von Kampfhunden. Sie hat dazu geführt, daß es Pudel, Dackel und andere rattenartige Viecher kaum noch gibt. Dafür sehe ich zunehmend Pittbull- und Tosa-ähnliche Monster im Kiez, Kreuzungsversuche, die überraschend schäbige Top-Imitate hervorgebracht haben. Ich hasse sie, diese devoten Scheißer, die man dazu bringen kann, aufs Wort zu gehorchen. Widernatürlich! Man sollte schleunigst „Herrn K.“, jenen guten Menschen und Berliner Rekordhundevergifter der 80er Jahre aus seinem Satireknast befreien und ihn wieder seinem alten Job zuführen. Des weiteren könnte man massenhaft Katzen aussetzen. Die schleimen wenigstens nicht rum, nur um ein paar Streicheleinheiten zu ergattern. Außerdem, wie sagte weiland Brassens: Schon mal 'ne Polizeikatze gesehen? Eben! Und dann ist da die Sache mit der Hundeleine. Hier bei uns gibt's sowas gar nicht. Ist verpönt! Hat auch was mit dem umfassenden Freiheitsdenken der radikalen Linken zu tun, die sich an diesem Punkt mit der Jogginghosenfraktion einig ist: „Hättest du denn gerne eine Leine um den Hals?“, wurde ich glatt mal von einem Frauchen gefragt, während mich der potthäßliche Gegenstand der Auseinandersetzung giftig anfletschte. So springen die verlausten Biester ständig um einen herum. Wird man dann tatsächlich mal von so 'nem Neurofundländer gebissen, sind die Halter außer sich und verstehen die Welt nicht mehr: „Wie konnte das passieren, der hat noch nie gebissen!“ Und ehe man sich versieht, ist die Schuldfrage geklärt. „Das muß irgendwie echt an dir liegen, ey, ehrlich du ey, der ist sonst sanft wie'n Lamm ey, verstehste!“. Apropos Lamm! Ich habe mir da ein fabelhaftes chinesisches Kochbuch zuschicken lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen