piwik no script img

Die Sehnsucht nach dem Oberbären

■ Nach dem Abgang von Olympia-Boß Grüttke herrscht Unsicherheit in Berlins Olympia GmbH

Berlin (dpa/taz) — „Junge, komm zurück“, soll ein leitender Mitarbeiter der Olympia GmbH nach einem ausgiebigen Abschiedsessen zum gescheiterten Olympia-Manager Lutz Grüttke gesagt haben. Der vor allem durch die Vorstellung des Maskottchens für Olympia 2000 in Berlin, eines stilisierten Bärengesichts, über die Grenzen Berlins berühmt gewordene Grüttke war vor zwei Wochen vor allem auf Betreiben von NOK-Präsident Willi Daume aus dem Amt geekelt worden. Nun stellt der Berliner CDU/SPD- Senat bestürzt fest, daß Grüttke während seiner 159tägigen Amtszeit wohl doch nicht nur Unsinn gemacht hat. Mittlerweile ist klar, daß die aus der Wirtschaft und von anderen Sponsoren gegebenen Zusagen über 45 bis 50 Millionen Mark fast ohne Ausnahme persönlich gegenüber Manager Grüttke abgegeben worden sind. Der Nachfolger, der überhaupt noch nicht gefunden ist, kann sich auf den Fluß dieser Summen nicht verlassen.

Bei der Zusammenstellung der Liste des Sponsorenpools mit Namen weltweit tätiger Konzerne und Unternehmen (Allianz, Bertelsmann, Deutsche Bank, Daimler Benz, IBM, Telekom, Tengelmann, Schering, Siemens, Sony) hatte der frühere IBM-Manager Grüttke seine glänzenden persönlichen Verbindungen in der Wirtschaft spielen lassen. Ohne ihn hängen jedoch viele Millionen Mark, die bisher nur als verbale Zusage existieren, völlig in der Schwebe. Keines der Unternehmen hat bisher öffentlich definitiv erklärt, daß die Gelder in der mit Grüttke besprochenen Höhe grundsätzlich der Olympia GmbH gewährt werden.

Auch in anderen Bereichen der Olympia GmbH sind überall Unsicherheiten zu erkennen. So sollen zahlreiche Mitarbeiter, die bisher auf Treu und Glauben auf der Grundlage von Grüttke-Zusagen ihre Arbeitskraft einbringen, nun Verträge erhalten. Die Topleute sollen, so ist in Regierungskreisen zu hören, alle in Berlin gehalten werden. Jedoch ist völlig offen, in welchem finanziellen Umfang der kommissarische Olympia-GmbH- Geschäftsführer Dietrich Hinkefuß die Zusagen Grüttkes nun in Verträgen verbindlich erfüllen kann. Der leitende Senatsrat aus der Senatskanzlei, der eigentlich nur vier Wochen bis zur Kürung des neuen Geschäftsführers amtieren soll, dürfte sich streng an beamtenrechtliche und haushaltsrechtliche Vorschriften des Landes Berlin gebunden fühlen. Damit ist der Verbleib zahlreicher Spitzenmanager, die Grüttke in die Olympia GmbH geholt hatte, formal völlig offen.

Sicher ist derzeit nur, daß nach den Erfahrungen mit Grüttke der Nachfolger kaum Spielraum haben wird. Der Gesellschaftervertrag und die Geschäftsanweisung durch den Aufsichtsrat werden peinlich genau eingehalten werden müssen. Über den in wesentlichen Teilbereichen lockeren Umgang mit diesen Vorgaben stolperte Grüttke letztlich.

So heißt es zum Beispiel im Protokoll der ersten Aufsichtsratssitzung vom 16. April diesen Jahres unter Tagesordnungspunkt sieben über die Auswahl einer Leitagentur für die Werbekampagne: „Vor Abschluß des Vertrages ist nach Abstimmung mit dem Bund und dem NOK für Deutschland die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen.“ Nach Auffassung des Regierenden Bürgermeisters und Aufsichtsratsvorsitzenden Eberhard Diepgen (CDU) ist eben diese Bestimmung von Grüttke beim Abschluß des Werbevertrages mit der Düsseldorfer Agentur Schirner nicht erfüllt worden. Deshalb hält der Senat den Vertrag, der die Olympia GmbH bis September 1993 bindet, für rechtsunwirksam.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen