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Haiti: Brutales Vorgehen der Militärs

Junta lehnt Rückkehr Aristides weiterhin ab/ OAS setzt auf diplomatische und politische Isolierung  ■ Von Ralf Leonhardt

Mexiko-Stadt (taz) — Kaum eine Woche, nachdem sie den demokratisch gewählten Präsidenten Jean- Bertrand Aristide wegputschten, sind General Raoul Cedras und seine Leute völlig isoliert. Putschistenführer General Raoul Cedras beschied eine Delegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die Rückkehr Aristides sei für ihn nicht verhandelbar.

Inzwischen ist aber klar: nicht nur die große Bevölkerungsmehrheit, die den Befreiungstheologen erst vor zehn Monaten in einer Erdrutschwahl an die Macht gespült hatte, sondern auch die Regierungen der OAS wollen genau das: nämlich die Rückkehr des Staatschefs und die Wiederherstellung des Status quo ante. Frankreich, die USA und die Dominikanische Republik sollen den Putschgenerälen bereits Asyl angeboten haben.

Doch soweit ist es noch nicht. Nach wie vor herrscht in der karibischen Republik Ausnahmezustand und nächtliche Ausgangssperre. Noch immer, so besagen übereinstimmend die spärlichen Informationen aus Haiti, wird auf die Zivilbevölkerung scharf geschossen, es habe bereits über 300 Tote gegeben. Der internationale Flughafen und die Grenze zur Dominikanischen Republik sind militarisiert und geschlossen.

Der haitianische Botschafter in Santo Domingo, Guy Alexandre, berichtete von lokalen Erhebungen gegen die Militärs im Norden und Süden des Landes. Ein Generalstreik, zu dem die Anführer der „Lavalas“- Bewegung aus dem Untergrund aufgerufen hatten, legte Freitag das Wirtschaftsleben weitgehend lahm. Diese Aktionen werden offenbar durch Mundpropaganda koordiniert, denn die Radiosender, die wichtigsten Massenmedien für die weitgehend analphabetische Bevölkerung, wurden mehrheitlich ausgeschaltet. Mehr als zwölf lokale Radiostationen wurden durch strenge Zensur oder bewaffnete Attacken zum Schweigen gebracht. Der Rundfunkkommentator Jacques Caraibes, eine Art Radio-Volksanwalt, erlag Donnerstag einem Mordanschlag.

US-Präsident Bush, der Aristide am Freitag erstmals in Privataudienz empfing, sagte ihm seine Unterstützung zu und ließ alle Guthaben der haitianischen Regierung in den USA einfrieren. Ein militärisches Eingreifen einer interamerikanischen Streitmacht, wie Venezuelas Staatspräsident Carlos Andres Perez gefordert hatte, lehnte Aristide im Gespräch mit Bush entschieden ab. Auch Bush versicherte vor Journalisten, daß eine Militäraktion allenfalls vorgesehen sei, „wenn das Leben von US-Bürgern auf irgendeine Weise bedroht sind“. Befürchtungen, die USA könnten mit dem Votum der OAS einen Präzedenzfall für eine spätere Invasion Kubas schaffen, waren vor allem in Mexiko und Havanna geäußert worden.

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