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Bis zu einem gewissen Alter

■ Wo auch immer Knabenstimmen gebraucht werden, sind die Tölzer Sängerknaben zur Stelle, als Solisten in Opern und Musicals. Ein Interview mit den „drei Knaben“ aus Mozarts „Zauberflöte“ in der jüngsten Inszenierung an der Deutschen Oper in Berlin: Dominik Licht, Marko Cilic und Kai Suzuki.

taz: Vor der Aufführung konnte dieses Interview nicht stattfinden. Heißt das, ihr seid erst kurz vor dem dritten Klingeln bei der Oper angekommen?

Dominik Licht (Alt): Nein, jeder muß eingesungen werden vor der Aufführung, die Stimme muß von der Tiefe bis zu Höhe, ja... poliert werden, damit man dann nachher gut singen kann.

Wie lang dauert das?

Dominik: Es kommt drauf an, manche müssen länger, zum Beispiel der 1.Sopran, weil das dann die führende Stimme ist. Der muß zwanzig Minuten oder so, und ein Alt muß bei zehn Minuten eine Viertelstunde singen.

Seid ihr heute morgen noch zur Schule gegangen?

Marko Cilic (1. Sopran): Ja.

Und wie seid ihr hierhergekommen?

Marko und Dominik: Mit dem Flugzeug.

Von wo?

Marko: Von München.

Ihr heißt doch Tölzer Sängerknaben. Aber ihr seid alle Münchner, wie kommt denn das?

Kai Suzuki (2. Sopran): Wir sind halt achtzig Prozent Münchner und zwanzig Prozent Tölzer, ungefähr so.

Wie weit ist Tölz von München?

Dominik: Sechzig Kilometer.

Finden die Proben dort statt?

Dominik: Nein, in München. Der Chor wurde in Tölz gegründet, darum heißt er Tölzer Knabenchor. Aber das Studio ist in München, und wir proben immer in München, und die Tölzer werden extra mit einem Bus nach München gebracht.

Das sind also quasi Gäste bei euch.

Dominik: Ja.

Und wieviel müßt ihr üben?

Marko: Es wäre gut, wenn man jeden Tag zwanzig Minuten üben würde.

Das reicht?

Marko: Ja.

Spielt ihr auch Instrumente?

Marko: Ja, Klavier.

Dominik: Geige.

Kai: Geige und Klavier.

Wie habt ihr euer Engagement bei der Deutschen Oper aufgeteilt? Seid ihr sechs oder sieben Sänger, die sich ablösen? Oder kommt Kai, der schon bei der Premiere dabei war, immer, und die anderen wechseln sich ab?

Kai: Also wir haben es so organisiert, daß wirklich zwei von jeder Stimme kommen, daß alle sechs das Ganze einstudieren und daß man sich abwechseln kann. Mit der Schulbefreiung könnte das ein bißchen schrecklich werden.

Für diesen Abend versäumt ihr den morgigen Vormittag?

Dominik: Morgen ist in Bayern keine Schule.

Ach so, am Samstag ist keine Schule. Seid ihr alle auf dem Gymnasium?

Alle: Ja.

Sind alle Tölzer Knaben auf dem Gymnasium?

Dominik: Nein. Es geht ja ab dem sechsten Lebensjahr, und da sind sie dann halt Volksschule, und man ist dann bis zu einem gewissen Alter im Chor.

Eure Eltern, sind die auch Musiker, zum Beispiel deine, Kai?

Kai: Ja, schon.

Was machen die?

Kai: Meine Mutter spielt Bratsche, und mein Vater spielt Geige.

Und die verdienen ihr Geld auch mit Musik?

Kai: Ja. Also mein Vater schon. Meine Schwester auch.

Und deine Eltern sind auch Musiker?

Dominik: Nein. Mein Vater ist pensioniert, der war früher Lehrer. Und meine Mutter ist Krankengymnastin.

Marko: Meine Eltern haben auch recht wenig mit der Musik zu tun. Mein Vater arbeitet in einer Spedition und meine Mutter in einem Hotel.

Wie bist du dann dazu gekommen?

Marko: Jedes Jahr kommen die Lehrer vom Tölzer Knabenchor in die Schule. Die wählen sich dann welche aus.

Wieviel Lehrer gibt es denn dort?

Marko: Es sind sechs, Stimmbildner und Chorleiter.

Wie ist es, verdient ihr denn schon mehr Geld als eure Eltern, mit den vielen Schallplatten, die die Tölzer Knaben machen?

Alle: Nein.

Kai: Verdienen tun wir schon, aber mehr als unsere Eltern nicht.

Aber ihr verdient doch schon richtig Geld damit?

Dominik, Kai: Ja.

Ist das so, daß man das in der Schule ein bißchen merkt? Daß mal einer sagt, „Leih mir mal zwanzig Mark, du bist ja ein Tölzer Knabe“?

Dominik: Nein, das kommt nicht vor.

Verschwindet das Geld irgendwie in der Familienkasse?

Dominik: Nein.

Also man legt sich ein Konto an...

Alle: Ja.

... und denkt dabei an was: ein großes Auto; eine Stimmausbildung?

Dominik: Ein Studium erstmal.

Kai: Ja, ein Studium.

Habt ihr die „Zauberflöte“ schon mal ganz gesehen?

Dominik, Kai: Ja, in München.

Marko: In Salzburg.

Und wer waren die Knaben?

Marko: Auch Tölzer.

Was ist dabei, auf der Bühne zu sein, am schwersten — die Einsätze nicht zu verpassen?

Alle (zögernd): Nein.

Dominik: Sich gleichzeitig auf die Inszenierung und auf das Stimmliche zu konzentrieren. Das beides miteinander zu verbinden ist schon sehr schwierig.

Marko: Ja.

Habt ihr schon in einer anderen Inszenierung der „Zauberflöte“ gesungen?

Alle: Ja.

Wo denn?

Dominik: Also ich hab' schon in München, Chicago, Frankfurt, Berlin jetzt, Hamburg, Wien... Das war's.

Also die siebte, achte...

Dominik: Nee, die dreiunddreißigste.

Ach so, die dreiunddreißigste Vorstellung. Und du hast auch schon in mehreren Städten die „Zauberflöte“ gesungen?

Kai: Ja, das ist meine dritte.

Was ist in dieser Inszenierung in Berlin anders als woanders?

Kai: Die Kleidung ist total anders. Also in Spanien, wo ich mal war, da sahen wir wie Stierkämpfer aus. Und hier haben wir das Korsett an, oder wie das heißt.

Aber Flügel hat man immer, oder nicht?

Dominik: Nein. In München, zum Beispiel, wird immer ein Rokokokostüm verwendet. Da hat man so eine Mozartperücke und -kostüm. In Salzburg hatten wir Flügel, aber nur wenn wir wirklich fliegen, praktisch. Sonst hat's ja keinen Sinn.

Ja, das ist überhaupt merkwürdig hier. Ihr kommt fliegend rein, aber später seid ihr dann so an der Seite postiert und beugt euch nur mit den Gesichtern in den Bühnenraum. Da habt ihr dieselben Sachen an wie jetzt, Jeanshosen und so.

Dominik: Ja, hat man das gesehen?

Kai: Wir haben die Sachen nur angezogen, weil es sonst viel zu kalt wird. Wir sind, tja...

Ja, sag mal.

Kai: Ja, eigentlich sind wir halbnackt. Es ist total kalt unter den Füßen, und man kann sich erkälten.

Bei der Premiere, Kai, haben Leute den Dirigenten ausgebuht. Kannst du dir sowas erklären?

Kai: Also es könnte am Orchester liegen, daß das ein paarmal auseinandergelaufen ist. Das habe ich von Papageno gehört, als wir uns mal getroffen haben, auf dem Gang. Und andererseits finde ich den Dirigenten nicht so gut.

Ist er dir zu langsam?

Kai: Ja, eigentlich schon. Wir sind die schnellere Art gewöhnt, und auf einmal so langsam, das stört irgendwie.

Ihr wißt ja nicht, in welcher Stimmlage ihr später singen werdet. Aber angenommen, ihr könntet euch in der „Zauberflöte“ eine Rolle frei aussuchen, welche wäre das?

Marko: Ja, hauptsächlich eine singende Rolle.

Natürlich. Aber welche?

Marko: Papageno.

Dominik: Der würde mir auch gefallen. Ich bin eher so ein lustiger Typ.

Und du?

Kai: Das kommt ganz drauf an.

Worauf?

Kai: Wie man dafür ausgebildet wird, das muß man erstmal sehen. Ob man eigentlich singt.

Das Gespräch führte Ulf Erdmann Ziegler

W.A. Mozart, Die Zauberflöte , an der Deutschen Oper Berlin. Regie Günter Krämer, Dirigent Heinrich Hollreiser. Wieder: am 22. und 25.Oktober jeweils um 19.30 Uhr.

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