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Bonner Grüne: Stasi war bestens informiert

■ Deckname »Ludwig«: Über die Bundestagsfraktion der Grünen, der Dirk Schneider angehörte, ließ die Stasi die DDR-Opposition ausspähen

Berlin/Bonn. Dirk Schneider habe in der Bundestagsfraktion den Spitznamen »ständige Vertretung der SED in den Grünen« getragen, erinnert sich dessen damaliger Fraktionskollege Heinz Suhr. Der Gedanke, daß zu Schneiders politischer Nähe zur DDR auch eine Stasi-Mitarbeit kam, aber ist weder Heinz Suhr gekommen, der heute Pressesprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Grüne ist, noch der langjährigen Fraktionsmitarbeiterin Elisabeth Weber. »Wir haben den als politischen Kontrahenten ernst genommen«, sagt Frau Weber: deswegen treffe sie es am meisten, daß Schneider »so billig und banal Stasi war«.

Daß Heinz Suhr und Elisabeth Weber ebenso wie die damaligen grünen Bundestagsabgeordneten Petra Kelly, Gerd Bastian und Milan Horacek von der Stasi ausgespäht wurden, wissen sie erst seit kurzem. Wieviel die Stasi aus der Bundestagsfraktion und über diesen Umweg auch aus der DDR erfuhr, geht aus einem jetzt aufgefundenen Protokoll einer Stasi-Hauptabteilung vom Februar 1986 hervor — wohl nicht das einzige Protokoll, das damals gefertigt wurde. Unter dem Titel »politisch-operative Lageeinschätzung« vermeldete ein Stasi-Abteilungsleiter die Erfolge eines »gezielten IM- Einsatzes« bei den Bonner Grünen. Die Informationen des Mitarbeiters mit dem Decknamen »Ludwig« habe »zu einer wesentlichen Komplettierung unser operativen Erkenntnisse zum Vorgehen der feindlichen Kräfte im Innern der DDR« geführt, heißt es im Stasi-Bericht. Für Heinz Suhr, der sich damals oft wunderte, warum die Stasi »bestens« über die Absichten und Kontakte der Grünen mit DDR-Oppositionellen informiert war, beantworten sich mit dem Stasi-Papier manche der damaligen Fragen. Wer sich hinter dem Decknamen »Ludwig« verbarg, hat sich für Heinz Suhr ebenfalls erledigt.

Durch den Einsatz von »Ludwig« war die Stasi bereits von Beginn über die Gründung der Umwelt-Bibliothek in Ost-Berlin und den Aktivitäten der DDR-Opposition zu Fragen der Ökologie informiert. Die Informationen »Ludwigs« — so ist dem Papier zu entnehmen — sorgten offenbar auch dafür, daß ein für Ende 1985 von Bärbel Bohley, Vera Wollenberger und Wolfgang Templin geplantes »Menschenrechtsseminar« in einer Treptower Kirche bereits im Vorfeld von der Stasi verhindert werden konnte. Die Interna aus der Bundestagsfraktion der Grünen waren auch dafür verantwortlich, daß die Stasi alle Beteiligten eines Treffens von DDR-Oppositionellen mit Vertretern der »Charta 77« und westdeutschen Grünen identifizieren konnte.

Über die Ergebnisse der effektiven Umweg-Ausspitzelung der DDR-Opposition läßt sich der Leiter der Stasi-Abteilung 20 aus. Bei den »feindlichen Kräften im Innern der DDR« mache sich eine »unerhörte Ernüchterung und eine Angst vor dem Eingreifen des MfS« breit, heißt es im Protokoll. Welches Ziel die Stasi dabei anstrebte, wurde ebenfalls nicht verschwiegen: »In der politisch-operativen Arbeit ist es uns dabei gelungen, diese entstehenden Diskrepanzen zu den Grünen weiter auszubauen.« Gerd Nowakowski

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