: Ernennung des Obersten US-Richters verschoben
Der neunte Sitz auf der Richterbank des Obersten Gerichtshofes der USA bleibt vorerst leer. Nachdem George Bushs Richterkandidat Clarence Thomas am Wochenende von einer ehemaligen Mitarbeiterin der sexuellen Belästigung bezichtigt worden war, verschob der US-Senat am Dienstag dessen Bestätigung um eine Woche.
Obwohl der 43jährige Thomas die Vorwürfe gegen ihn kategorisch dementiert, vermag derzeit niemand die Chancen für seine Ernennung abzuschätzen.
War die Nominierung des schwarzen Juristen aufgrund seiner erzkonservativen Haltung bisher schon heftig umstritten, so hat die neue Debatte um die angebliche sexuelle Belästigung seiner Assistentin nun einen anderen Nerv der amerikanischen Gesellschaft getroffen: die völlig unterschiedlichen Einstellungen von Männern und Frauen zur Gesetzgebung über sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz.
Während der reine Männerklub des Justizausschusses die ihm vorliegenden Anschuldigungen gegen Clarence Thomas in der vergangenen Anhörung geflissentlich übergangen hatte, forderten vor allem Politikerinnen jetzt eine Vertagung der Richterwahl. Zuerst, so die Frauen, sollten in dem Fall Anklage und Verteidigung gehört werden.
Die Vorwürfe stammen von Thomas ehemaliger Assistentin im Erziehungsministerium und später in der Reagan-Behörde für Bürgerrechte, der heutigen Jura-Professorin Anita Hill. Nach ihren Aussagen soll Clarence Thomas sie regelmäßig mit seinen sexuellen Phantasien über pornographische Filme und Sodomie behelligt haben — und das als Vorsitzender der Behörde, die jährlich rund 5.000 Beschwerden wegen sexueller Belästigung behandelt. Darunter fallen nach amerikanischer Rechtsprechung bereits anzügliche Bemerkungen, die aus der Perspektive der Frauen eine „feindliche Arbeitsplatzumgebung“ schaffen.
Wie wenig diese fortschrittliche Rechtsprechung vor allem in der männlichen Bevölkerung — oder im zu 98 Prozent aus Männern bestehenden US-Senat — akzeptiert wird, zeigt die nun sehr emotional geführte Diskussion über die Ernennung von Thomas. Denn für viele bleibt der Straftatbestand der „sexuellen Belästigung“ weiterhin ein Kavaliersdelikt. Rolf Paasch
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