piwik no script img

Grüne im Visier der Staatssicherheit

■ Die Stasi war durch „IM-Einsatz“ über Grünen-Aktivitäten stets bestens informiert

Der Abteilungsleiter der DDR-Staatssicherheit äußerte sich Anfang 1986 hochbefriedigt. Durch einen „gezielten IM-Einsatz“ sei es gelungen, zu einer „wesentlichen Komplettierung unserer operativen Erkenntnisse [...] zum Vorgehen der feindlichen Kräfte im Innern der DDR“ zu gelangen, vermeldete er stolz in seinem Lagebericht. Wer der IM-Mitarbeiter mit dem Decknamen „Ludwig“ war, geht aus dem vor kurzem in Stasi-Unterlagen entdeckten Bericht nicht hervor, dafür aber der Ort seines Wirkens: die Bundestagsfraktion der Grünen in Bonn, der auch Dirk Schneider von 1983 bis 1985 angehörte.

Auf zwölf Seiten wird über die internen Debatten der Fraktion und insbesondere über jene Abgeordnete berichtet, die im Kontakt mit DDR-Oppositionellen standen. Für den damaligen Bundestagsabgeordneten Heinz Suhr, derzeit Pressesprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne und einer der damals ausgespähten Abgeordneten, löste sich mit dem aufgetauchten Protokoll manches Rätsel, warum die Stasi offenbar über viele geplante Aktivitäten bereits im Vorfeld bestens informiert war.

Die Informationen des Stasi-Mitarbeiters im Bundestag sorgten beispielsweise dafür, ein von Bärbel Bohley und Wolfgang Templin Ende 1985 geplantes Seminar mit dem Thema „Menschenrechte und Friedensbewegung“ schon im Vorfeld zu verhindern oder ein Treffen von Oppositionellen aus der DDR und der Tschechoslowakei zu zerschlagen. Die präzisen Informationen, so rühmt sich der Stasi-Abteilungsleiter, hätten bei den DDR-Oppositionellen zu einer „unerhörten Ernüchterung und Angst“ geführt. Berechneter Nebeneffekt: Es sei dadurch gelungen, die „entstehenden Diskrepanzen zu den Grünen weiter auszubauen“ — sprich: jene Abgeordnete wie Petra Kelly, Gerd Bastian, Milan Horacek und Suhr zu diskreditieren, die in Kontakt mit DDR-Oppositionellen standen. Gerd Nowakowski

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen