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Kluge Schönheit auf Stein

■ Der Wahl-New-Yorker Michael Krondl zeigt seine Fotografien auf Beton in der Galerie Andreas Weiss in der Nollendorffstraße

Es sind Fotos, darauf muß man erst mal kommen, denn drei riesige Steinplatten mit schwarz-weißen Rosen haben eher etwas von einer Grabplatte. Oder war's ein Deko-Vorhang? Eine kleine Galerie in der Nollendorffstraße zeigt eine sonderbare Überraschung, die technisch zunächst das totale Rätsel aufgibt. Es sind wirklich Fotos, die sich verschmiert auf eine rauhporige Betonfläche gießen, da ist auch was gemalt, ungleichmäßige gelbe Flecken spuken noch über das Bild, und schließlich ist es wirklich ein Foto, das jemand auf Beton projiziert hat.

Der Fixierer ist verschmiert, die technische Sauerei ergibt die gebrochene Schönheit dieser Rosen, die so tatsächlich beständig ist: Die Ausstellung des Amerikaners Michael Krondl bringt eine verfluchte Dialektik zustande, nämlich den Lehrgang über Ästhetik, daß Schönheit Schmutz braucht, um erträglich zu sein, und auch, daß nur gebrochene Schönheit ewig sein kann.

Das nächste Beispiel: Die Skulpturen auf dem Bode-Museum an der Museumsinsel sind reihum fotografiert, das Rondell aus fünf Bildern in der Himmelsperspektive ergibt bruchstückhaft einen Kreisbogen, brüchig-alt-vergehend ragen die Barockdamen in den Horizont, der Schaden an der Materie, ihre steinernen Hautflecken sind ganz vom selben Stoff wie die Oberfläche des Bildes, wie die vermasselte Sauberkeit dieser Schwarzweißfotografie: Doch Michael Krondl kam leider mit dem Zeigefinger daher und fügte nun noch eine Aussage dazu, damit der Kopf auch was zu denken hat, ganz unnötig, denn das Verständnis dieser Schönheit, bis hierhin reicht eigentlich schon. Er hat zwischen diese Ladies ein Steinstückchen Palmenstrand gemalt, fotorealistisch-dilettantisch-farbig, und nun mag sich der Kopf eine Antwort überlegen... Sei es, wie es sei, ohne diesen Mythos des Paradieses wäre das sechsstellige Steinwerk einheitlicher, stimmiger. Ach, wenn die jugendlichen Geister nur nicht immer ihr gefühlsmäßiges Treiben durch politische Aussage zu legitimieren suchen würden — die träumerische Meditation über Werden und Vergehen anhand aufgehender Rosen und gewittriger Zusammenballungen im Hintergrund, als die Fotoemulsion verrückt spielte, reicht doch ganz.

Michael Krondl, 1960 in Prag geboren, mag dort die Vergänglichkeitsästhetik ins Blut bekommen haben. Er lebt seit Jahren in New York, stellte dort häufig aus, fleißiger, erfolgreicher junger Mann, der er zu sein scheint, und hat nun auf Einladung von Andreas Weiß hin in Berlin vielleicht Spuren seiner eigenen Vergangenheit wiedergefunden. Noch in Amerika war er anders politisch: Palmenstrände arbeiteten als Lichtreflektoren, die Sonne brach sich in den Stämmen, gelb und weiß waren die Bilder vom Paradies, das sich eine Unterbrechung aus Soldatenhelmen antun mußte — wieder dieser verdammte Zeigefinger, keine Kunstmoral ohne Vietnam?

Ebenso überdeutlich in falscher Richtung wurde Krondl auf einem Monumentalgemälde, das er als Metapher aus den ewigwährenden Gründen neuzeitlicher Filme gezogen haben könnte, als einer mit dem Wolf tanzte und danach aber doch nur Verwüstung übrig war. Eine Landschaft löst sich im Flammengefackel auf, hell züngelt das Feuer über Holzpfähle, die mal etwas gewesen sind; dahinter staut sich der Nebel weiß und nicht wunderbar, und ein paar Palmen im Hintergrund machen, daß es doch nicht ganz so trist sei. Ja, eine Untergangsszenerie, und in diese hinein wurde nun ein Foto versatzhaft projiziert, direkt aufgezogen, eingeblendet. Es ist ein Detail aus der Sockelzone des Pergamonaltar-Frieses, wo die Götter gegen Giganten kämpfen, man sieht Pferdeteile, Rümpfe, Arme. Da paart sich die Ursprünglichkeit aus der Vergangenheit mit — der Realität von heute? Lieber Gott, laß es nicht so sein, wenden wir uns wieder den Rosen zu, die auch einmal »realistisch« vorkommen, fotorealistisch gemalt und gar nicht schlecht, als Gattungswesen schlichtweg: als Triptychon werden Züchtungsergebnisse vorgestellt, mit Namen »Dream Dust«, »Perfect Moment«, »Pleasure«, wann und wo gezüchtet, datengerecht genau angegeben, weiße Blüten nah und fern, grüne Blätter und Erde sieht man hinter diesen Schildern, wen wundert's, und doch bleibt es gerade dadurch erträglich, daß alle Schilder aussehen wie Grabsteine. Es muß einfach so sein. Und die Namen der Rosen reichen wirklich, denn: A rose is a rose is a rose... Ein bißchen Fifties, und daraus wird Gegenwart ohne Zeitfestlegung. Sophia Ferdinand

Galerie Andreas Weiss, Nollendorffstraße 16 und 23, Di.-Fr. 16-19 Uhr, Sa. 11 bis 15 Uhr, bis 2. November

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